Omertà
In Omertà ("Schweigegelübde") erzählen ein Mann und drei Frauen als Ich-Erzähler jeweils in vier Büchern von ihren Alltagssorgen, Ambitionen und Sehnsüchten in Siebenbürgen. Der männliche Protagonist, der Gärtner Vilmos, ein eigenbrötlerischer
und leidenschaftlicher Rosenzüchter, wird nach dem Krieg zum Parteimitglied und Aushängeschild der stalinistischen Wissenschaftspolitik. Als Autodidakt ist er überfordert, lässt sich aber auf die Forderungen der Partei ein, seinen wilden Rosengarten zum Versuchsgelände für Obstbäume umzufunktionieren, steigt zum Universitätsmitarbeiter auf und gibt sich angepasst. Daneben gibt es seine Geliebte Kali, eine Märchenerzählerin, die ihren prügelnden Mann verlässt und von ihm schwanger wird. Außerdem lebt in Klausenburg Annuschka, eine 16-jährige Halbwaise, die unter ihrem saufenden Vater leidet und ihren Lebensunterhalt mit einem kleinen Gemüseacker und einer Kuh bestreitet. Auch sie wird die Geliebte des Gärtners. Sie und ihre ältere Schwester Rosa haben früh ihre Mutter verloren. Daraufhin ist Rosa, die vierte Protagonistin, in einen Orden eingetreten und wurde als Mitglied einer konterrevolutionären Rosenkranzgruppe wegen Landesverrat verhaftet, zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt und als physisches Wrack entlassen. Ihr wurde die Omertà auferlegt. - In ihrem opulenten Roman verknüpft Andrea Tompa die Geschichten ihrer Figuren mit der Geschichte Siebenbürgens nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese drohen in ihrem Streben nach einem besseren Leben und besessen von Macht im politischen Getriebe zerrrieben zu werden. Die Kultivierung von Rosen steht als Allegorie für die Möglichkeiten des entmündigenden Gleichmachens und Schweigens von Individuen. Die Übersetzung von Terézia Mora hat den bäuerlichen Dialekt sehr gut im Deutschen nachempfunden. Besonders wegen der Aktualität vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs ist der Roman empfehlenswert.
Elisabeth Kemper
rezensiert für den Borromäusverein.

Omertà
Andrea Tompa ; aus dem Ungarischen von Terézia Mora
Suhrkamp (2022)
950 Seiten
fest geb.