Dante, Homer und die Köchin
Wolf Wondratschek lässt den vor ca. 2800 Jahren lebenden altgriechischen Dichter Homer und den Italiener Dante, dessen 700. Todesjahr 2021 gefeiert wird, als heutige Zeitgenossen auftreten. Dieser Einfall zeitigt mehrere witzige Situationen. Beide wohnen bei einer Köchin, die sie umsorgt, und als bodenständige, einfältige Person einen Gegenpol zu den weltfremd wirkenden Schriftstellern bildet. Dante erscheint ihr als dürrer schwieriger Mensch, während sie Homer als umgänglichen Mieter schätzt. Diese Antonella ist die Witwe von James Joyce. Sie erweist sich als Analphabetin, was den beiden Dichtern besonders gefällt, sind sie doch erstaunlicherweise mit der Schriftstellerei und dem Kulturbetrieb unzufrieden. Zu dieser Verneinung des eigenen Schaffens passt Homers Erzählung, wie ein Maler seine eigenen Gemälde auflöst. Die Distanz zum Künstlerdasein geht sogar so weit, dass Dante ein Dante-Standbild sprengen will, was dann misslingt. Obwohl beide, Homer wie auch Dante, unauffällig bleiben wollen, werden sie verhört und für drei Jahre in einem Kloster weggesperrt. Ihre bedingte Wirklichkeit offenbart sich, wenn sie auf Fotografien nicht zu sehen sind. Der witzige Einfall lässt komische Situationen entstehen, er trägt aber nicht durch die 25 Kapitel einer 235 Seiten langen Erzählung. Über weite Strecken erscheint diese als belangloses Geplauder ohne strukturelle Einheit. Aus der humorvollen Überlegenheit einer "Komödie" ist wohl der Versuch geworden, über Altersdepressionen eines Künstlers hinwegzukommen.
Bernhard Grabmeyer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Dante, Homer und die Köchin
Wolf Wondratschek
Ullstein (2021)
235 Seiten
fest geb.