Spaltkopf
Laura und Lev, ein in Leningrad, dem heutigen und historischen St. Petersburg, lebendes Künstlerehepaar, hat die weitverzweigte Verwandtschaft zum Abschiedsfest eingeladen. Sie gehören zu jenen russisch-jüdischen Intellektuellen, die sich für eine Ausreise nach Israel oder Westeuropa entschieden haben. Ihre ersehnte Ankunft in Wien verheißt die erhoffte Freiheit, bringt aber zunächst Ernüchterung. Vor allem die siebenjährige Mischka vermisst ihre Freundinnen und trauert um den Verlust ihrer ersten Liebe. Den Entwicklungsweg des subtil porträtierten Mädchens stellt die 1970 in Leningrad geborene Julya Rabinowich in den Mittelpunkt ihres anspruchsvollen, zwei Erzählebenen umfassenden Debütromans. Die sich im Titel auf eine russische Märchenfigur beziehende lesenswerte Prosa lässt die seelische Not der Heranwachsenden erkennen, die zwischen zwei Welten geraten ist. Obwohl die Autorin Märchenmotive einbringt und metaphernreich schreibt, bleibt Raum für realistische Darstellungen. Vor allem dem von ihr geschilderten Leningrader Alltag dürfte Selbsterlebtes zugrunde liegen.
Kirsten Sturm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Spaltkopf
Julya Rabinowich
Deuticke (2011)
202 S.
fest geb.