100 Tage

Maximal 100 Tage habe der krebskranke Vater noch zu leben, hört der Sohn von den Ärzten und beginnt heimlich, ein Tagebuch zu schreiben. Vordergründig schildert er den Alltag seines Vaters, der mit dem Sterben ringt, und den Alltag der Angehörigen 100 Tage und Freunde, die versuchen, auf ihre je eigene Weise damit umzugehen. Im Mittelpunkt des Buches steht aber die Beziehung des Sohnes zu seinem Vater, der sich in dieser letzten Zeit erstmals über die Beziehung zu seinem Vater klar zu werden versucht. "Wir waren uns näher als ich dachte" (S. 219) ist im Epilog des Buches als Fazit des Autors zu lesen. Auch reift die Erkenntnis in dieser Zeit, dass der nahe Tod sowohl Angehörige und Freunde als auch Fremde näher zusammenbringt. Dieses Buch ist für den Autor der Versuch, mit dem Tod seines Vaters emotional und kommunikativ zurechtzukommen. Es ist sein erstes Buch, das sehr intime Einblicke zulässt. Inwieweit der Autor, einer der renommiertesten Boulevard-Journalisten, effektvoll Gefühle inszeniert oder aber authentisch ist, sei dahingestellt. Was ihm gut gelingt, sind Fragen zu provozieren, die die Lektüre bei den Leserinnen und Lesern auslösen muss. Wie würde ich in einer solchen Situation reagieren? Habe ich schon einmal über Beziehungen und Prioritäten in meinem Leben nachgedacht, die mir existenziell wichtig sind? Welche Beziehung pflege ich zu meinen Eltern? Wie gehe ich mit Sterben und Tod in meiner Umgebung um? Diese Liste könnte man noch fortsetzen. Das Buch, das ernst und hoffnungsvoll zugleich ist, ist allen zu empfehlen, die bereit sind, sich mit dem Leben im Angesicht des Todes auseinanderzusetzen.

Lioba Speer

Lioba Speer

rezensiert für den Borromäusverein.

100 Tage

100 Tage

Michael Schacht
Gütersloher Verl.-Haus (2018)

221 S.
fest geb.

MedienNr.: 593655
ISBN 978-3-579-08704-7
9783579087047
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Bi, Fa
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