Nilowsky
Der emotional berührende Roman des Regisseurs und Schriftstellers Torsten Schulz könnte als Filmvorlage dienen. Im Mittelpunkt stehen mit Markus Bäcker, Carola Worgitzke und Reiner Nilowsky drei 13- bis 17-jährige Jugendliche, die sich 1975 in einer bei Ostberlin gelegenen Siedlung kennenlernen. Die Begegnung mit dem philosophierenden Sonderling Nilowsky, der seine Gefühle hinter Raubeinigkeit verbirgt, bedeutet für Markus den Beginn einer aufregenden Zeit. Was ist Freundschaft? Wie viel Selbstverleugnung hält sie aus? Darf er sich Carola nähern, obwohl Nilowsky deutlichst Anspruch angemeldet hat? Vor allem mit dem "Koboldmädchen", das nicht erwachsen werden möchte, ist Torsten Schulz das Porträt einer eigenwilligen Protagonistin gelungen, die sich von ihren "Bonzeneltern" lossagt und mit Nilowsky zusammenzieht. Im Zusammenhang mit den sich daraus ergebenden Konflikten fällt es dem als Ich-Erzähler fungierenden Markus schwer, eine neutrale Position einzunehmen. Erst als Nilowsky Carola verlässt und ins "Nirgendwo" verschwindet, kann er das eigene Gefühlschaos in Ordnung bringen. Die sich nach dem unvorhersehbaren Abschied einstellende Traurigkeit teilt sich dem Leser mit. Dem rigorosen Querkopf niemals wiederbegegnen? Nicht erfahren, ob und wo er sein Glück gefunden hat? Der milieustimmige, drastische Stellen enthaltende, dynamisch erzählte Roman ist lesenswert und sollte fortgeschrieben werden.
Kirsten Sturm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Nilowsky
Torsten Schulz
Klett-Cotta (2013)
284 S.
fest geb.