Die kanadische Nacht
Seit vielen Jahren hat der Sohn seinen Vater, der nach Kanada ausgewandert ist, nicht gesehen. Ihre Beziehung war schon in jungen Jahren nicht gut, durch die räumliche Trennung jedoch ist sie noch dünner geworden. Dennoch entspricht der Sohn dem Wunsch des sterbenden Vaters, ihn noch ein letztes Mal zu sehen. Auf der langen Autofahrt vom Flughafen zum abgelegenen Wohnort des Vaters sinniert er über ihre Beziehung, die verschiedenen Arten von Liebe und was es bedeutet, Abschied zu nehmen. Dabei vergleicht er seine Erfahrungen mit denen einer Künstlerin, für die er kürzlich ein Buch über ihren verstorbenen Gatten und deren sehr individuelle Beziehung schreiben sollte, was ihm misslang. Der Sohn verliert sich bei seinen Grübeleien in immer neuen Erinnerungen, wobei er am Ende weniger über den eigenen Vater als über die eigenartige Beziehung des Künstlerehepaars nachdenkt. - Der Roman ist sehr nachdenklich und manchmal etwas schwermütig, was zum Thema natürlich gut passt, aber immer dann zusätzlich irritiert, wenn der Ich-Erzähler von recht eigentümlichen zwischenmenschlichen Beziehungen in seinem Umfeld berichtet. Sprachlich ist der Roman gut zu lesen, wobei man den feuilletonistischen Schreibstil des Autors an vielen Stellen wiedererkennen kann. Ein nicht ganz leicht zu verdauender Roman über Liebe und Entfremdung, für den man sich Zeit nehmen muss.
Stefanie Simon
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die kanadische Nacht
Jörg Magenau
Klett-Cotta (2021)
194 Seiten
fest geb.