Dürer im Zeitalter der Wunder
Das 1509 für den Frankfurter Kaufmann Jakob Heller und seine Gemahlin Katharina vollendete Altarbild der Himmelfahrt Mariens aus der Hand Albrecht Dürers (1471-1528) ist Aufhänger und roter Faden dieser umfangreichen kultursoziologischen Untersuchung "zu Kunst und Gesellschaft" des 15. Jh. Der erste Teil konzentriert sich auf die akribische Herstellung des Gemäldes, über die wir aus neun Briefen von Dürer an seinen wohlhabenden, aber knausrigen Auftraggeber gut unterrichtet sind. Dabei werden unter anderem auch der soziale Aufstieg und die Selbstinszenierung des Künstlers als neuer Apelles sowie sein humanistisches Umfeld vor allem in Nürnberg (Pirckheimer) einbezogen. Die übrigen drei Teile haben schwerpunktmäßig den Kunsthandel nach Dürers Tod in Europa sowie dessen Wandel von der Nachfrage nach diversen Artefakten aus allen Ländern und Kulturen der Welt für die neuen "Kunst- und Wunderkammern" hin zur Jagd nach Gemälden "Altfränkischer [Altdeutscher] Maler" der "heilen" vorreformatorischen Zeit und dem daraus entstandenen "Dürer-Hype" im Blick. Als "Trendsetter" hierfür werden die beiden Augsburger Kunstliebhaber/-agenten Hans Fugger und Philipp Hainhofer porträtiert, vor allem in ihrem Einsatz für die Wittelsbacher Herzöge und leidenschaftlichen Sammler Albrecht V., Wilhelm V. und Maximilian I. Letzterem sollte so schließlich im Wettlauf mit Kaiser Rudolf II. 1614 der Coup des Erwerbs des Heller-Altars von den Frankfurter Dominikanern gelingen. Beim Brand der Münchner Residenz 1729 ging das Werk allerdings verloren. So bietet der knapp bebilderte Band wesentlich mehr, als der Haupttitel auf den ersten Blick zu versprechen scheint. Breit zu empfehlen.
Lothar Altmann
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Dürer im Zeitalter der Wunder
Ulinka Rublack ; aus dem Englischen übersetzt von Nastasja S. Dresler
Klett-Cotta (2024)
640 Seiten : Illustrationen (überwiegend farbig)
fest geb.