Der verschwundene Mond
Marty ist Physiker und verfügt über wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Faszination des Universums erklären können. Bei der Feier einer neuen astronomischen Entdeckung, bei der auch seine Frau Marlene und seine Tochter Stella anwesend sind, schwant ihm, dass ihm das Universum seiner Familie eher verborgen ist. Marlene verabschiedet sich für eine Zeitlang mit einer Freundin nach Bali und Stella geht mit einer Gefährtin auf Reisen. Allein auf sich geworfen nimmt Marty das Gesuch eines Psychoanalytikers an, im Sinne des wissenschaftlichen Austauschs ein Skript über das menschliche Bewusstsein zu lesen. Der anfängliche Widerstand wandelt sich in Unbehagen und schließlich in eine Erfahrung, die Martys Standortbestimmung in Frage stellt. Seine Tochter auf social media verfolgend erfährt er, dass diese seit geraumer Zeit mit ihrer geschlechtlichen Identität kämpft und nun das Selbstbewusstsein gefunden hat, ihr Leben in eine männliche Identität zu führen. Entsetzt von dieser Neuigkeit beschließt er, seine Frau spontan auf Bali zu besuchen, um mit ihr über das gemeinsame Kind zu sprechen, wo er erkennen muss, dass Marlene längst mit der Entwicklung vertraut ist. - Der neue, prägnant und knapp erzählte Roman von Zoe Jenny wirkt wie das Produkt aus einer professionellen Schreibwerkstatt, die aber diese Entstehungsstätte leider nicht vergessen lässt. Das Sujet der Physik hält für das Welterkennen her und bietet gleichzeitig die Analogie für das Erkennen des Menschen. In diesen literarischen Raum sind Klimawandel, die Genderthematik und die Fridays for future-Generation so eingebaut, dass das Buch einem Jahrzehnt zuzuordnen sein wird. Es läuft Gefahr ein Verfallsdatum zu haben, da Aktualität zu prominent ist, die Philosophie dahinter verschwindet.
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der verschwundene Mond
Zoë Jenny
Frankfurter Verlagsanstalt (2022)
126 Seiten
fest geb.