Lincoln im Bardo
Auf George Saunders ungewöhnlichen Erzählstil muss man sich einlassen, aber wer das tut, der wird belohnt: mit einem genialen Roman über den Tod und das Leben. Zugrunde liegt eine wahre Begebenheit: der Tod von Willie Lincoln. Der Lieblingssohn des US-Präsidenten ist während des US-Bürgerkriegs gestorben und sein Vater hat das Grab besucht, um den Jungen noch einmal in den Armen zu halten. Bei Saunders befindet sich der elfjährige Willie im Bardo, einem Zwischenreich zwischen dem Dies- und dem Jenseits, und dort ist er nicht allein. Ein Teil der Geschichte wird von den Geistern anderer Verstorbener erzählt. Sklavenhalter und Sklaven, Reiche und Arme, Verbrecher und Elende kommen zu Wort. Saunders collagiert diese fiktiven Geister-Passagen mit Ausschnitten aus den Memoiren von real-existierenden Zeitzeugen, Zeitungsartikeln und Biografien. Das macht den Roman nicht nur vielstimmig, sondern auch vielschichtig und der Autor hat dafür völlig zu Recht den renommierten Man Booker Price gewonnen. Die Teilnehmer des Literarischen Quartetts sehen in Saunders einen würdigen Nobelpreisträger, der wird in diesem Jahr aber nicht verliehen. - Für literarisch Interessierte.
Katja Strippel
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Lincoln im Bardo
George Saunders
Luchterhand (2018)
445 S.
fest geb.