Feuer

Die Geschichte von Laure, einer Universitätsdozentin, verheiratet, zwei Töchter, und Clément, Finanzmanager, ledig, Hundebesitzer, scheint zunächst die gewöhnliche Geschichte einer Affäre zu sein. Laure entbrennt glühend für Clément, macht Feuer alles möglich, um ihn heimlich zu treffen, und Clément lenkt sich von seinem frustrierenden Dasein mit ihrem Begehren ab, wägt aber immer wieder ab, ob er diese Liaison beenden soll. Beider Über-Ich schwebt ständig in Form ihrer Mütter bzw. Großmutter über ihnen, indem sie fiktive und auch echte Gespräche führen und das moralisch Verwerfliche (die Mütter) oder auch den Appell der Selbstermächtigung (die Großmutter) ihrem Lebensstil entgegensetzen. In dieser ständigen Reflexion über sich selbst oder im Spiegel eines Familienangehörigen oder, was Clément betrifft, mit dem eigenen Haustier, das bezeichnenderweise Papa heißt, wird der Fortgang der Geschichte und der Weg in die Katastrophe berichtet. Obwohl der Roman sehr nüchtern berichtet, was in den Kapitelüberschriften, die sich auf Datum, Körpertemperatur, Atemfrequenz und Blutdruck beschränken, gipfelt, sind alle Charaktere fein gezeichnet. Die ältere Tochter durchschaut die Mutter und tritt ihr mit Ironie und einer Selbständigkeit gegenüber, die das unerreichte Entwicklungsziel der Mutter sind. Die kleine Tochter zeigt die familiäre Gebundenheit und der betrogene Ehemann den Kampf mit Wahrhaftigkeit. Clément hat moralische Bedenken bereits mit seiner beruflichen Tätigkeit hinter sich gelassen und spiegelt seine Seele vielmehr in der Beziehung zum willenlos-gutmütigen Haustier, das am Ende des Romans als zentrales Symbol ("Falke") der Novelle gelesen werden kann. So endet die Geschichte auch mit einer unerhörten Begebenheit. Sowohl der Erzählstrang als auch der protokollarische Stil sind ungewöhnlich und kontrastieren das hoch emotionale Geschehen auf besondere Weise.

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Feuer

Feuer

Maria Pourchet ; aus dem Französischen von Claudia Marquardt
Luchterhand (2023)

320 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 613137
ISBN 978-3-630-87734-1
9783630877341
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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