Entfernte Heimkehr

Was hat der 1920 geborene Vater Karl H. in seiner Kindheit erlebt? Welche Erfahrungen haben den Mitte der 90er Jahre Verstorbenen geprägt? Mit diesen Fragen leitet der österreichische Mediziner und Autor Albert Holler (Jahrgang 1955) die durch den Entfernte Heimkehr Sohn angeregte Spurensuche ein, die vom slowenischen Malibor über das Wasserkraftwerk Kaprun nach Salzburg, Sarajewo und Triest führt. Karl H., aus dessen Perspektive erzählt wird, wächst in einem der k.u.k.-Monarchie nachtrauernden, Unordnung und Chaos verabscheuenden Elternhaus auf. Umso mehr fürchtet der stille, zurückhaltende Junge den Streikführer Tomo Brejc, der mit Agitationsreden zum Arbeitskampf aufruft. Wenn der inzwischen 25-Jährige als Dolmetscher in Nazidiensten dem festgenommenen Partisanen Brejc wiederbegegnet, sitzt ihm ein psychisch und physisch gebrochener Mann gegenüber. Auf dessen Frage, was er "bei den Deutschen gemacht" habe, reagiert Karl H. mit eingeübten Rechtfertigungen, die ihn moralisch freizusprechen scheinen. Das auf Verleugnung und Verdrängung aufgebaute Leben ist das den Autor bewegende Thema, mit dem er sich in seinem trotz stilistischer Schwächen beachtenswerten Roman auseinandersetzt. Da in z.T. suggestiven Szenen neben der Zentralfigur weitere, differenziert gestaltete Protagonisten agieren, spiegelt sich in Einzelschicksalen das Kriegsgeschehen im südöstlichen Europa wider.

Kirsten Sturm

Kirsten Sturm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Entfernte Heimkehr

Entfernte Heimkehr

Albert Holler
Residenz-Verl. (2011)

201 S.
fest geb.

MedienNr.: 569098
ISBN 978-3-7017-1564-0
9783701715640
ca. 21,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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