Kap Cod
Hier betraten 1620 die Pilgrim Fathers erstmals amerikanischen Boden; hier haben die Kennedys heute ihre Ferienhäuser, aber auch Don Passos und Eugene O'Neill haben zeitweilig hier gelebt und gearbeitet: auf Kap Cod, der in den Atlantik ragenden Halbinsel von Massachusetts. In den Jahren zwischen 1849 und 1857 unternahm H. D. Thoreau ausgedehnte Wanderungen auf Kap Cod, die er später in dem gleichnamigen Buch zusammenfasste. Thoreaus Schilderungen sind detaillierte und doch impressionistische Beschreibungen der Landschaft, der Urgewalt des Ozeans und der kantigen, oft kauzigen Bewohner, die dem Sand und dem Meer ein karges Dasein abtrotzen und von Thoreau mit hintergründigem Humor - man lese nur seine Darstellung des alten Austernhändlers von Wellfleet - gezeichnet werden. Der Autor wäre nicht Thoreau, wenn er dieses Mysterium tremendum et fascinosum der Natur, in das er mit allen Sinnen eintaucht, nicht auch in seiner Bedrohtheit wahrnehmen würde: die Abholzung der Wälder, die sich verbreitende Kleinbürgerlichkeit der Bewohner städtischer Ansiedlungen, die amerikanische Mentalität, sich zu nehmen, was man zu brauchen glaubt ("Man wird einmal dem Teufel dafür Tribut zahlen müssen"). Doch bleibt diese Zivilisationskritik frei von jeder Schroffheit, so dass sich auch der Leser ganz dem Erleben einer heute vergangenen Welt hingeben kann. (Übers.: Klaus Bonn)
Richard Niedermeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Kap Cod
Henry David Thoreau
Residenz-Verl. (2014)
318 S.
fest geb.