Autobus Ultima Speranza
Kurz vor Weihnachten bricht ein Fernbus der Linie Speranza von Wien nach Rumänien auf, mit Halten in Oradea und Cluj. Das Warten am Busbahnhof, die lange Fahrt und der Empfang am Zielort bieten dem Leser die Gelegenheit, sich in die Geschichten der Passagiere einzufühlen. Viele der überwiegend rumänischen Fahrgäste haben ihre Familie in der Heimat zurückgelassen, um in Österreich schwarz und unversichert oder für den Mindestlohn zu arbeiten, die Frauen als Haushaltshilfen oder Pflegerinnen, die Männer in der Fleischverarbeitung oder als Erntehelfer. Die Trennung von ihren Kindern und Partnern und die daraus resultierenden Konflikte zehren an den meisten noch stärker als die oft knochenharte Arbeit. Andere Passagiere absolvieren ein Auslandspraktikum in Cluj, besuchen Freunde oder benötigen Dokumente von den dortigen Behörden. Alle befinden sich in jenem Transitzustand, der sich auf langen Busreisen einstellt und die Gedanken um Vergangenheit und Zukunftspläne kreisen lässt. - Die sprachliche Gestaltung und die Details in den Beschreibungen bilden die Atmosphäre des Busbahnhofs und der anschließenden Fahrt äußerst eindrücklich ab; insbesondere die Zerrissenheit vieler Passagiere zwischen der Perspektivlosigkeit in der Heimat und dem trostlosen Arbeitsaufenthalt rund um Wien wird deutlich. Schnelle Wechsel zwischen den Geschichten der verschiedenen Fahrgäste und die Einbindung von Passagen aus Popsongs unterstützen die Fiktion einer Busfahrt. Sehr zu empfehlen.
Marlene Knörr
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Autobus Ultima Speranza
Verena Mermer
Residenz-Verl. (2018)
197 S.
fest geb.