Trost

Mit diesem Roman liegt nun ein Frühwerk der Autorin auch auf Deutsch vor. Oberflächlich betrachtet lässt er sich leicht zusammenfassen: eine namenlose Frau - beruflich erfolgreich, finanziell unabhängig, ebenso stark und hart gegen sich wie gegen Trost andere - sucht die Liebe in erotischen Abenteuern. In Lissabon mit einem Mann, in Berlin mit einer Frau, in Brüssel schließlich mit einem viel jüngeren Mann. Am Ende steht, nicht immer ausgeformt, stets das Ende des Abenteuers. Aber mit dieser Beschreibung wäre der Kern des Romans verfehlt. Sprachlich oft experimentell und mit einem beeindruckenden Auge für Details geht es der Autorin weniger um die äußerliche Beschreibung von drei Affären, sondern um den innerlichen Zwiespalt ihrer Figuren, die stark, unabhängig und erotisch frei sein wollen, aber sich eigentlich nur nach Liebe sehnen. Der Sex wird damit lediglich zum titelgebenden Trost, der den unerfüllten Liebesdurst der Protagonistin und ihrer Liebhaber(in) vergessen machen soll. Obwohl der Roman oft detailliert von Sex und körperlicher Begierde erzählt, ist er keine erotische Lektüre. Høyer fordert ihren Leser und Leserinnen viel ab - sowohl sprachlich, als auch weil viele für das Verständnis der Geschichte wichtige Informationen nur angedeutet werden und mehrdeutig bleiben. Dafür gibt sie eine der beeindruckendsten Darstellungen von Einsamkeit und Liebessehnsucht, die man in den letzten Jahren lesen konnte.

Friedrich Röhrer-Ertl

Friedrich Röhrer-Ertl

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Trost

Trost

Ida Hegazi Høyer ; aus dem Norwegischen von Alexander Sitzmann
Residenz Verlag (2019)

204 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 927941
ISBN 978-3-7017-1707-1
9783701717071
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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