Als Gott einer von uns wurde
Weihnachten in Brasilien? Eine schweißtreibende Sache. Doch die äußeren Unterschiede in Temperatur und Jahreszeit kommen Erwin Kräutler belanglos vor angesichts der großen sozialen Unterschiede, die in Brasilien zu Weihnachten ganz besonders krass
sichtbar werden. Während die einen ein Hochfest des Konsums feiern, gibt es bei den anderen kaum Geschenke, weil das Geld fehlt. Dafür stehen die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem und deren kirchliche Feier im Mittelpunkt. Kräutler formuliert seine "Gedanken zur Weihnachtsbotschaft" daher aus der Perspektive der Armen und weniger Begüterten. Entscheidend ist aus dieser Sicht, dass Gott durch die Geburt "Gott-mit-uns" geworden ist, dass er sich damit den Geringen, den Verachteten und Armen zugewandt hat. Aus dieser Zuwendung schöpfen sie Zuversicht und Lebensmut. Die kurzen meditativen Texte gehen jeweils von einem Vers aus den Schrifttexten der Weihnachtszeit aus und beziehen dessen Aussage auf den Alltag. Offen sprechen seine Texte soziale Probleme an, gleichzeitig sind sie voller Hoffnung und zeugen von großem Gottvertrauen. Zwei längere Texte erzählen - leicht anekdotisch gefärbt -, wie Kräutler, der aus Vorarlberg stammt und bis 2016 Bischof von Xingu in Amazonien war, Weihnachten in Brasilien erlebt hat, in einem baufälligen Pfarrhaus und bei einem liebevoll inszenierten Krippenspiel mit einem besonderen Jesus-Kind. Seine "Gedanken zur Weihnachtsbotschaft" setzen mit ihrer Option für die Armen einen ganz eigenen, ebenso berührenden wie nachdenklich stimmenden Akzent in der Advents- und Weihnachtszeit. Der Verlag veredelte diese ungewöhnliche Perspektive auf Weihnachten durch zweifarbigen Druck und einen Einband in Leinen. Eine wohltuend andere, völlig unsentimentale Sicht auf Weihnachten.
Redaktion
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Als Gott einer von uns wurde
Erwin Kräutler
Tyrolia-Verl. (2017)
56 S.
fest geb.
Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats