Das alte Spiel
Das Älterwerden kann seinen Schrecken auch verlieren, wenn man es in der Literatur betrachtet. Goethe hat über das "letzte Glück", Jacob Grimm über Altersgelassenheit, Hilde Domin über die nicht nachlassende Hoffnung geschrieben. "Das alte Spiel", so heißt der erste Lyrikband des 1942 geborenen Verlegers und Autors Jochen Jung über die Dinge des Alters. Es geht um Körpervisionen, Missbalancen, Morgenvögel und Fliederduftüberfälle, Muttertod und "späte Liebe", Begegnungen und "Bahnsteiggespräche". Über das Altwerden schreibt Jung furchtlos, aber erschütterbar, knapp und konzis. Vieles bringt er durch Wortspiele oder Redensartliches auf den Punkt: "Das Leben ein Regen, die Traufe der Tod". Oder durch Humor, wie in dem bereits am 27.3.2015 in der "Frankfurter Anthologie" selbst kommentierten Gedicht "Ein kleines Leben" mit seinen Fragen an jene Zeit, in der man mehr Beerdigungen als Konzerte besucht: "Da geht er. / Wohin? Immer / dem Fragezeichen nach". Jungs Gedichte machen sich auf, um Antworten "hinter der letzten Kurve zu finden". Nachdenkliche, gedankenvolle, gleichwohl federleichte Lyrik über das Altern als "Vergissmeinpflicht", größeren Beständen zu empfehlen.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Das alte Spiel
Jochen Jung
Haymon (2017)
162 S.
fest geb.