Lesereise Istanbul
Der Reisejournalist Joscha Remus (*1958) beschreibt in seinen kurzen Reportagen das bunte Leben und Treiben der Menschen in einer Megacity, die auf zwei Kontinenten liegt und seit Jahrtausenden eine lebendige Brücke bildet zwischen der östlichen, vom Islam geprägten Welt und dem abendländischen Westen. Auf ihr treffen sich die Bewohner und Besucher nicht so sehr bei den berühmten Sehenswürdigkeiten (Hagia Sophia, Topkapi-Palast etc.), die den klassischen Reiseführern überlassen werden, sondern auf dem Taksimplatz, der Galatabrücke oder den Prinzeninseln. Im Club der blinden Fotografen, am 1. Mai bei den Transvestiten, beim Kaffeesatzlesen oder bei den verbotenen, in der Stadt aber geduldeten tanzenden Derwischen erlebt der Autor interessante Menschen und erfährt von versunkenen Palästen, versteckten Basaren, von einem verborgenen Storchenhospital und von alten osmanischen Gaumengelüsten. Von der stets präsenten Erdbebengefahr lebt die Schilderung ebenso wie von mutigen türkischen Künstlern und Autoren, von Geschichtenerzählern und von reichen und schönen Lebemenschen und Verschwendern. Bei der Lektüre dieser kurzweiligen Momentaufnahmen aus einer geschichtsträchtigen Weltstadt fühlt man sich oft mehr an die Märchenerzählungen aus Tausendundeiner Nacht erinnert als an eine auch von Überlebens- und Wirtschaftsproblemen ihrer Bewohner geplagte neuzeitliche Großstadt zwischen den Kontinenten; wie es auch der Untertitel des Büchleins andeutet. - Interessant für alle Büchereien.
Georg Bergmeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Lesereise Istanbul
Joscha Remus
Picus-Verl. (2011)
Picus Lesereisen
132 S.
fest geb.