Eine Bibliothek in Paris
Für Odile, die behütete Tochter einer Pariser Familie, geht ein Traum in Erfüllung. Ihre Bewerbung bei der Amerikanischen Bibliothek ist erfolgreich. Ihr Vater, ein Polizeikommissar, bringt sonntags immer wieder einen jungen Mitarbeiter seines Reviers zum Essen mit. Odile ist zunächst genervt, verliebt sich dann aber doch in den Polizisten Paul, den sie später auch heiratet. Doch die Zeiten ändern sich mit der Besetzung von Paris durch das deutsche Militär. Odile versorgt einige Juden, die sich nicht mehr in die Bücherei wagen, mit Büchern zu Hause. Irgendwann muss sie feststellen, dass ihr Vater und auch Paul Juden verhaften und zu den Sammelstellen bringen, was sie zutiefst erschüttert. Und nach der Befreiung 1944 erlebt sie mit, wie mit Kollaborateuren verfahren wird. Das entzweit sie von ihrem Mann, und als ihr kurze Zeit später ein US-Soldat einen Heiratsantrag macht, folgt sie ihm kurzerhand in die USA. In einer zweiten Zeitschiene spielt die Geschichte in einer Kleinstadt im Montana der 1980er Jahre. Die zwölfjährige Lily ist fasziniert von der geheimnisvollen Nachbarin Odile, die mit einem französischen Akzent spricht, deren Mann Buck schon vor Jahren verstorben ist und die kaum Kontakte mit ihrer Nachbarschaft pflegt. Irgendwann erzählt Odile ihre Geschichte und ihr Lebensgeheimnis. - Die Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten um die Amerikanische Bibliothek in Paris, die auch während der deutschen Besatzung ihren Betrieb aufrechtzuerhalten vermochte. Die Figur der Odile wie die der meisten anderen Mitarbeiter sind fiktiv. Gut erzählt und, von dem Geschehen während des Krieges abgesehen, auch unterhaltsam. Eine Geschichte auf zwei Zeitebenen, was gelegentlich etwas irritiert, aber insgesamt ist der einfühlsame Roman gut gelungen. Bestens zu empfehlen.
Erwin Wieser
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Eine Bibliothek in Paris
Janet Skeslien Charles ; Deutsch von Elfriede Peschel
blanvalet (2021)
549 Seiten
kt.