Ich bin still
Die Großstadt funktioniert wie eine Maschine, in der sich jeder Einzelne wie ein Rädchen im Getriebe verhält. Um das Regelwerk am Laufen zu halten, verzichtet jeder auf seine Individualität, auf Stimme und Ausdruck. Doch ein Mädchen scheint nicht in diesen genormten Stadt-Apparat zu passen. In der gesichtslosen Menge fällt sie auf, im Getöse wird sie nicht gehört, ihr Wesen widersetzt sich der Gleichschaltung. Von dieser Verlorenheit erzählt sie den Leser/-innen in einer Sprache, die ihrer Isolation angemessen ist: leidvoll, doch ohne Pathos, zurückhaltend, aber doch alarmierend. Die Bilder malen genüsslich die Anonymität der Großstadt aus, in Szenen, die an die Maschinen-Ästhetik von "Matrix" erinnern. Text und Bild beherrschen das Wechselspiel von Ausgrenzung und (selbstgewählter) Isolation. Und auch für die Errettung des jungen Mädchens durch die Literatur werden plausible Sprach-Bilder gefunden, die eine Entfaltung ihres Potentials in Aussicht stellen. Durch das Lesen fremder Stimmen zur eigenen Stimme finden - dieses Künstlerbuch hält eine verheißungsvolle Erzählung über Kreativität bereit.
Dominique Moldehn
rezensiert für den Borromäusverein.
Ich bin still
David Ouimet
mvgverlag (2021)
[56] Seiten : farbig
fest geb.
Borromäus-Altersempfehlung: ab 7