Unten
Mit immenser Sogwirkung zieht uns Maja Ilisch hinab in einen unheimlichen, von ihr erschaffenen Wohnblock mit einer schier unendlich erscheinenden Anzahl von Etagen. Niemand der Bewohner weiß, wo das Treppenhaus beginnt oder endet. Was jedoch alle wissen: man darf weder das Gebäude noch das individuell zugeordnete Stockwerk verlassen. Bei tadellosem Benehmen hat man die Chance auf einen Umzug in höhere Etagen, die mehr Wohlstand versprechen, bei Regelverstößen sackt man nach unten. Was die Menschen weiter unten erwartet, ist ungewiss und macht Angst. Die Einhaltung der Regeln wird per Videoüberwachung von einer ominösen, gesichtslosen Hausverwaltung kontrolliert, die bei Bedarf entsprechende Anweisungen über Lautsprecher verkündet. Alle Etagen tragen Namensbezeichnungen nach Farbnuancen des Regenbogens. Auf "Zinnoberrot" wohnen die beiden Freundinnen Nevo und Juma. Als Juma sich bei einem verbotenen Fangspiel auf den Fluren des Wohnblocks im Wäscheschacht versteckt, rutscht sie versehentlich in die Tiefe und niemand außer Nevo scheint sich danach noch an das Mädchen zu erinnern. Doch Nevo will ihre Freundin zurück, bricht alle Tabus und macht sich auf den verbotenen Weg nach unten. - Ein ungemein spannender dystopischer Roman für Kinder, der viele aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen thematisiert und zuspitzt. Sehr fesselnd, auch wenn sich das Ende im Vergleich etwas zu schnell auflöst. Ungewöhnlich ist auch die Auswahl der zum Großteil geschlechtsneutral wirkenden Personennamen. Hebt sich von der Masse ab und ist auch deshalb unbedingt empfehlenswert.
Elisabeth Brendel
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Unten
Maja Ilisch
Dressler Verlag (2023)
301 Seiten
fest geb.
Borromäus-Altersempfehlung: ab 10