Hunchback
Die 46-jährige Japanerin Saou Ichikawa, die mit einer schweren Behinderung lebt, hat mit „Hunchback“ (Die Bucklige) ihren Debütroman vorgelegt. In Japan, wo das Thema Behinderung weit mehr tabuisiert ist als bei uns, erhielt das Buch literarische
Beachtung und einige Preise. Eher eine Erzählung als ein Roman schildert die Ich-Erzählerin das Leben mit der Behinderung, einer schweren Muskelerkrankung, die Teilhabe an „normalen“ Beziehungen, Ausführen von „normalen“ Bewegungen unmöglich macht. Selbst das Atmen ist ohne Apparate unmöglich. In ihren Rollen auf Internet-Portalen, wo sie als Prostituierte und Autorin erotischer Texte auftritt, lebt sie sowohl Begehren als auch Hass aus. Zentraler Wunsch der Erzählerin ist, schwanger zu werden und den Fötus abzutreiben, da eine normale Geburt und Mutterschaft nicht denkbar sind. Dabei kommt es zu arg deftigen, ironisch gebrochenen Darstellungen sexueller Handlungen, die zwar gerade in asiatischer Literatur seit vielen Jahrhunderten als Kunstgriff zu werten sind, dem Empfinden deutscher Leser:innen jedoch einiges zumuten. – Die Schilderung ist dabei so forsch, direkt und auch durch den Wechsel zwischen Internet-Fantasien und der Lebenswelt in der Behinderten-Wohngruppe von unbestechlichem Realismus, was das Buch durchaus zum Lesevergnügen macht. Sein Verdienst, fern jeder Larmoyanz und Mitleids zu bleiben, legt einen Kern von literarisch ambitioniertem, in Idee und Dramaturgie jedoch weniger nachhaltigem Schreiben bloß. In Not und Talent der Erzählerin, von denen der Text zeugt, offenbart sich freilich ein wichtiges, für den Umgang mit Behinderung zentrales Motiv. Die Erzählung sei den Freunden japanischer Gegenwartsliteratur wie jenen Lesern empfohlen, die an der literarischen Verarbeitung von schwerer Körperbehinderung interessiert sind.
Helmut Krebs
rezensiert für den Borromäusverein.

Hunchback
Saou Ichikawa ; aus dem Japanischen von Katja Busson
Ecco (2025)
94 Seiten
fest geb.