Mein Vater ist Putzfrau
Paul, von seinem Vater liebevoll Polo genannt, ist arm und, wie er meint, zu hässlich, um jemals von einem Mädchen geliebt zu werden. Ein schmächtiger Pariser Vorstadtjunge, der sich in jeder Hinsicht benachteiligt fühlt. Wäre er wenigstens Araber, Jude oder Roma, dann könnte er dem alltäglichen Rassismus die Schuld an seinem Elend geben, aber er ist nur ein weißer Junge, dessen Vater zu allem Überfluss als Reinigungskraft arbeitet. Weil er seinen Vater trotzdem liebt, begleitet er ihn fast jeden Abend zu seinen Putzstellen und hilft ihm dabei, den Schmutz der Reichen und Privilegierten zu entfernen. Sein bevorzugter Einsatzort ist die Bibliothek. Polo staubt hier nicht nur die Bücher ab, sondern es macht ihm Spaß, sich hochtrabende Wörter herauszusuchen und ihre Bedeutung zu erforschen. Dieses Buch ist aber viel mehr als ein "Bildungs-Roman", es ist eine hinreißende Vater-Sohn-Geschichte. Wie Azzedine dieses Verhältnis schildert und mit welchen Dialogen sie es in Szene setzt, ist witzig und sehr vergnüglich zu lesen, auch wenn die Kollision derber Jugendsprache mit Hochliteratur vielleicht manchen Leser erschrecken dürfte. Alle anderen werden ihren Spaß mit dem Buch haben, das nebenbei auf sehr nachvollziehbare Weise die aktuelle Rassismus-Debatte aufgreift. (Übers.: Birgit Leib)
Susanne Steufmehl
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Mein Vater ist Putzfrau
Saphia Azzeddine
Wagenbach (2015)
Quartbuch
123 S.
kt.