Selbstjustiz

Ein Bretone fährt mit dem Mann, der ihn um seinen ganzen Lebenssinn gebracht hat, auf die See hinaus und kehrt ohne ihn zurück. Nach dem Leichenfund wird er von einem Ermittlungsrichter vernommen. Ihm schildert er im Detail, wie der Tote in den Ort Selbstjustiz kam, ein Anwesen erwarb und ihn und andere Einwohner dazu bewog, von ihrem Ersparten eine erst zu bauende Eigentumswohnung auf dem Gelände zu erwerben. Doch das Bauvorhaben kommt nicht über die Erdarbeiten hinaus. Jahre gehen so ins Land, der Investor beschwichtigt und findet Ausflüchte. Der Bürgermeister, der in das Projekt kommunale Gelder investiert hat, erschießt sich. Die größte Belastung für den Ich-Erzähler ist aber das Schicksal seines Sohnes, der als Teenager ausrastet und im Hafen nicht nur das Boot des Investors verwüstet. Diese Tat wird als Vandalismus hart mit Gefängnis bestraft. Der Richter hört sich nahezu schweigend die ausführlichen Schilderungen an und gibt als Ergebnis seiner Ermittlungen an: Es war ein Unfall. - In vielen kleinen Episoden zeigt der Autor, wie ein durchschnittlicher Bürger in die Enge getrieben wird, wie nach und nach all seine Lebenswerte durch den Investor vernichtet werden. Beileibe nicht der Geldverlust treibt den Mann zum Äußersten, sondern die zwei vernichteten Menschenleben. Der Leser kann mitfühlen, wie er den Boden unter den Füßen verliert und seine Weltordnung, sein Wertesystem pulverisiert wird. Lesenswert. (Übers.: Hinrich Schmidt-Henkel)

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Selbstjustiz

Selbstjustiz

Tanguy Viel
Wagenbach (2017)

167 S.
fest geb.

MedienNr.: 592011
ISBN 978-3-8031-3290-1
9783803132901
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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