Der Papst, der schwieg

Die wissenschaftliche Kontroverse um die Rolle und Verantwortung Pius XII. im Verhältnis zum Nationalsozialismus und dem italienischen Faschismus geht - nach der Öffnung der Vatikanischen Archive - weiter. Dass Pius XII. nicht "Hitlers Papst" war, Der Papst, der schwieg belegt auch dieses Buch des jüdischen Historikers Kertzer; doch auch er erhebt den Vorwurf, zum Angriffskrieg und zur Judenverfolgung geschwiegen zu haben. Die Dokumente belegen, dass Franzosen, Polen und Amerikaner ein klares, nicht durch diplomatische Rücksichtnahmen gebremstes Wort dazu gefordert haben. Sie zeigen aber auch, in welchem Dilemma der Papst und die katholische Weltkirche überhaupt steckten: der Zwang, nicht Partei zu werden; Schlimmeres zu verhüten und wenigstens Reste der Konkordate zu retten; den Regimen keinen Vorwand für die Vernichtung des Katholizismus zu liefern. All das findet sich auch in Kertzers Buch, wie auch die Versuche deutscher und italienischer Diplomaten, den Papst mit der Illusion zu täuschen, es würden sich gemäßigte Kräfte durchsetzen. Von großem Interesse sind hier die neu entdeckten "Geheimgespräche" mit Philipp von Hessen. Was man dem Autor vorhalten kann: Er versteht nicht das Dunkel, in dem Pius zu handeln gezwungen war, sondern interpretiert sein Verhalten von dem uns bekannten Ende her; und er überzieht die Hypothese, dass ein Donnerwort mehr gebracht hätte als die allgemeine Anerkennung der Nachwelt. Insgesamt jedenfalls ein wichtiger Beitrag zur Debatte, etwas größeren Beständen sehr zu empfehlen.

Richard Niedermeier

Richard Niedermeier

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Der Papst, der schwieg

Der Papst, der schwieg

David I. Kertzer ; aus dem Englischen von Tobias Gabel und [einem weiteren]
wbg Theiss (2023)

703 Seiten : Illustrationen
fest geb.

MedienNr.: 751765
ISBN 978-3-8062-4502-8
9783806245028
ca. 39,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re, Ge
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