Romeo oder Julia
Kurt Prinzhorn, Schriftsteller auf Lesereise, kommt in seiner Abwesenheit in einem Innsbrucker Hotel Persönliches abhanden, wobei der Unbekannte ein dickes Büschel schwarzer Haare im Badezimmer hinterlässt. Nur unwillig nehmen Hoteldirektor und
Polizei den Fall zur Aufklärung an, ist doch nichts wirklich Gravierendes passiert. Mysteriös bleiben die Vorfälle aber auch auf der Weiterreise nach Moskau und Madrid, wo wieder im Hotel verschlüsselte Botschaften und eine Gestalt mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze die Begebenheit anheizt. Allerorten trifft Prinzhorn, dessen Name wohl nicht zufällig gleichnamigem Psychiater entlehnt ist, der psychisch Kranke betreute und deren Kunstwerke sammelte, auf Frauen, deren reizvoller Anziehungskraft er sich nicht entziehen kann. Die meiste Zeit umkreisen seine Gedanken mögliche Annäherungen, erotisch aufgeladene Dialoge und Erinnerungen an Begegnungen mit dem Weiblichen. Worin in all diesem Beziehungsgeflecht die Verbindung mit den Vorfällen im Hotelzimmer besteht, gilt es im Zuge der Erzählung zu entwirren. - Falkner fordert mit seinem Roman den Leser, den er über weite Strecken verloren und verunsichert auf der Strecke lässt. Zahlreiche literarische Anspielungen spicken etwas gewollt die Erzählung, uneinheitlich formuliert der Autor seine Kapitel, wo immer wieder der ursprüngliche Dichter auftaucht, der das Spiel mit Sprache und Motiven liebt. Es ist wohl der beeindruckende Debütroman "Apollokalypse" (BP/mp 16/943), der es nun nur schwer erlaubt, das Folgewerk "Romeo oder Julia" als literarisch missglücktes Experiment zu beurteilen. So trifft wohl eher die Beschreibung als zugemutete Besonderheit denn als besondere Zumutung zu.
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Romeo oder Julia
Gerhard Falkner
Berlin-Verl. (2017)
266 S.
fest geb.