Sperling

Wolfgang, Dozent an der Uni in Berlin, erblickt eines Nachts, als er erfolglos an seiner Doktorarbeit über Proust sitzt, über den Hinterhof in einem erleuchteten Fenster eine Frau. Er ist inspiriert von ihr, fasziniert, und das nächtliche Beobachten Sperling wird zur Gewohnheit. Sie, Charlotte, jobbt neben ihrem Literaturstudium in der „Buvette“, deren Belegschaft derzeit ihre soziale Familie darstellt. Seit einigen Monaten greift ihre Erkrankung wieder nach ihr, weshalb sie eine Psychotherapie aufnimmt. Verbindet Wolfgang und Charlotte erst nur die Nachbarschaft, so entspinnt sich langsam eine Bande zwischen ihnen. Beide haben sich in Berlin einen Neuanfang erhofft, kommen aber nicht richtig klar; Wolfgang hat beispielsweise den Kontakt zu seinem engsten Freund Oliver verloren, als dieser Vater geworden ist. - Der Erzählfokus wechselt kapitelweise zwischen Charlotte und Wolfgang, ist nah an ihren Gedanken. Und doch bleibt vieles ungesagt, weshalb sich erst nach und nach das Ausmaß ihrer Schwierigkeiten erahnen lässt (Depression, Magersucht, belastete Familienverhältnisse). Zu dieser emotionalen Distanz passen die knappen, teils fragmentarischen Sätze vor allem bei Beschreibungen und betonen das Fragile und vor sich selbst Verborgene der Protagonisten. Ein nicht nur sprachlich einnehmender Debütroman, der einige Leerstellen offen lässt und trotz der schweren Themen in eine zuversichtliche Richtung zeigt.

Barbara Sckell

Barbara Sckell

rezensiert für den Borromäusverein.

Sperling

Sperling

Katharina Korbach
Berlin Verlag (2022)

316 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 610126
ISBN 978-3-8270-1448-1
9783827014481
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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