Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa

"Gleichwohl ist die Anzahl der direkt an den Mordaktionen beteiligten Personen mit mindestens 200.000 nicht zu hoch gegriffen, während die Zahl der am Genozid indirekt beteiligten deutschen Staatsbürger ein vielfaches davon betrug." (Mommsen S. 207) Nicht etwa Adolf Hitler oder dessen Schergen trügen die alleinige Verantwortung für den Massenmord an Millionen jüdischen Bürgern; die Ursache für die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts liege mehr im nationalsozialistischen System und im Wegschauen großer Teile der Bevölkerung. Hans Mommsen, einer der wichtigsten Historiker der letzten Jahrzehnte, ist ein Verfechter des funktionalistischen Ansatzes. Im Gegensatz zu den in der Forschung sogenannten Intentionalisten, versucht Mommsen das NS-Regime systemisch zu verstehen und ist weniger zentriert auf die Person Hitlers. In diesem Werk zur Geschichte des Holocaust gelingt es dem emeritierten Professor der Bochumer Ruhr Universität, seine funktionalistische Theorie sehr plausibel darzulegen. Dabei schildert er die Ereignisse in Etappen, von dem Einzug des Antisemitismus in die Politik der Weimarer Republik bis hin zur Vernichtungspolitik im Verlauf des Zweiten Weltkriegs. Immer vor dem Hintergrund der Frage: Warum und unter welchen Umständen sind die Schritte vollzogen worden? - Der schmale Band, der eine erweiterte und überarbeitete Version seines Buches Auschwitz 17. Juli 1942 (2002) ist, kann als pointiertes Überblickswerk allen weiterempfohlen werden. Einzig die Konzentration auf die Verfolgung der Juden in Osteuropa, kann mit Blick auf den Titel des Buches angemerkt werden.