Der Schamaya-Palast

Nach der Gründung Israels 1948 wurden in Damaskus ankommende palästinensische Flüchtlinge in leerstehenden einfachen Häusern des jüdischen Viertels untergebracht. Im Schamaya-Palast, einem ehemals prächtigen jüdischen Anwesen, wohnt der Ich-Erzähler Der Schamaya-Palast Ahmad mit eigener und knapp 50 weiteren palästinensischen Familien in einem Labyrinth abgetrennter Räume. Existentielle Bedürfnisse prägen den Alltag. Die Mutter schickt Ahmad mit Lebensmittelkarten zu jüdischen Händlern. Die Familie lebt in einzigartiger Eintracht mit den Nachbarn im jüdischen Viertel in Damaskus, das bis zum Ende der 80er Jahre ein Viertel voller Vielfalt, Betriebsamkeit und Einzigartigkeit seiner verschiedenen, meistens armen Bewohner blieb. Schüler aus reicheren Familien schauen auf Ahmad herab. Der orthodoxe Christ George steht zu ihm. Der Autor lässt nun abwechselnd Ahmad und George aus der Ich-Perspektive von ihrer Freundschaft erzählen. Allerdings findet er keine eigenen Stimmen für sie, die Figuren bleiben seltsam eindimensional und schnittmusterhaft. George denkt, fühlt, wägt und erklärt das Geschehen genauso wie Ahmad, der Aufsehen erregt, als er verspätet mit langem Bart aus den Sommerferien in der Uniform der Fedajin in die Schule zurückkehrt. Am stimmigsten liest sich die schlichte Beschreibung des improvisierten Zusammenlebens im Mikrokosmos des Schamaya-Palasts. Menschen, die ein aufgezwungenes, provisorisches Dasein führen, sind feinfühlig, schüchtern, unsicher die einen, hochnäsig, herablassend, arrogant die anderen. Die Hoffnung auf Rückkehr hält sie aufrecht, und die Kinder, die irgendwo im Ausland ihr Glück finden sollen. - Ein inhaltlich starker Roman mit einer tiefen Menschenfreundlichkeit als Fundament. Eine erzähltechnisch konsequente und überzeugende literarische Form hat der Autor dafür leider nicht gefunden.

Gudrun Schüler

Gudrun Schüler

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Der Schamaya-Palast

Der Schamaya-Palast

Ali Al-Kurdi ; aus dem Arabischen von Larissa Bender
Wallstein-Verlag (2022)

177 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 750936
ISBN 978-3-8353-3997-2
9783835339972
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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