Neverend

Die Ich-Erzählerin, eine Schriftstellerin mit Schreibblockade, nimmt einen Job als Lehrerin für kreatives Schreiben in einem Gefängnis an. Mit diesem Datum beginnen ihre Tagebuchaufzeichnungen, zuerst weitgehend über verstörende Alpträume. Die Neverend Kurzgeschichten zu Kriegserlebnissen ihrer drei Schüler sind eingestreut. Gleichzeitig notiert sie Beobachtungen zum Wahlkampf eines Außenseiters und die Auswirkungen eines Handelskriegs um Bananen. Der populistische Politiker gewinnt die Wahl mit simplen Sprüchen; ihm schließen sich Intellektuelle aus dem Umkreis der Schreiberin an. Die Demokratie wird hinterrücks ausgehöhlt durch ein System der Bespitzelung. In dieser Zeitspanne findet die Frau ihr neues Thema: Das Leben des Arztes und Naturwissenschaftlers Scopoli aus dem Quecksilber-Bergbaustädtchen Ydria. - Durch die drei Teile gewinnt der Roman eine große Vielschichtigkeit: Sprünge in die k.u.k.-Vergangenheit, die jüngste Vergangenheit Jugoslawiens mit der gewaltsamen Auflösung durch Kriege, die zumindest unterbewusst immer noch nachwirken, und die heutigen Befindlichkeiten und Reaktionen der Slowenen. Der reflektierende Stil - aktuelle Geschehnisse werden distanziert beschrieben - erschwert den Zugang für Leser/innen, die eine schnelle Handlungsfolge erwarten. Aber einen actionreichen Politthriller wollte der Autor nicht verfassen. Ihm geht es mehr um die Analyse, wo seine Landsleute stehen und welche Gefahren nach einer Euphorie für Europa seinem Heimatland drohen. Nicht umsonst nennt er Ungarn und populistische Bewegungen im EU-Raum. Das Übertragen der Entwicklung in Slowenien auf das Heimatland der Leser drängt sich des Öfteren auf.

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Neverend

Neverend

Ales Šteger ; aus dem Slowenischen von Matthias Göritz und [einer weiteren]
Wallstein Verlag (2022)

462 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 750358
ISBN 978-3-8353-5006-9
9783835350069
ca. 26,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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