Nevermore
Bei der Etikettierung dieses Buches als ein ‚Roman' beginnt man zu zögern. Es gibt in dem Buch wahrscheinlich ebenso viele erzählende Passagen wie essayistische Abschweifungen über den Glockenklang, über Musikwerke, über die Geschichte der Stadt
Dresden. Auch das Zentralthema ist sehr verschachtelt und erschließt sich erst nach und nach: Eine französische Schriftstellerin begibt sich in die deutsche Stadt Dresden, um dort einen Text von Virginia Woolf ins Französische zu übersetzen. Das alles zusammen ist dann für die deutsche Übersetzerin des Buches (Anne Weber) noch einmal eine ganz besondere Herausforderung. Als thematisches Basso Continuo durchzieht das Buch neben der Übersetzung des Textes von Virginia Woolf die Trauer der Zentralfigur (mit stark autobiographischen Zügen der Autorin) über eine verstorbene Freundin. Nach der Lektüre dieser Erkundung einer anderen Stadt, einer anderen Sprache ist man kein anderer Mensch geworden, aber man wird gewiss ein anderes, respektvolleres Verhältnis zu der Arbeit von Übersetzern haben. Großartig, wie die Autorin die Leser teilhaben lässt an der Suche nach richtigen, dem Sinn des Originaltextes von Virginia Woolf angemessenen Übersetzungen. Eine Übersetzerin muss nicht nur die Grammatik der Sprache kennen, die sie in eine andere Sprache überträgt. Dass dazu viel, viel mehr gehört, lernt man durch die Lektüre dieses Buches. Für literarisch Interessierte sehr zu empfehlen.
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Nevermore
Cécile Wajsbrot ; aus dem Französischen übersetzt von Anne Weber
Wallstein Verlag (2021)
228 Seiten
fest geb.