Der Schrecken verliert sich vor Ort

"Schau, Lena ...", abrupt, ohne Vorankündigung zeigt Heiner auf ein mit "hellem Sand gefülltes Senfglas", das er in seiner Bücherwand aufbewahrt. Kann Lena, Diplomdolmetscherin, Mitte 30, auf Dauer mit einem Mann zusammenleben, der die Überreste Der Schrecken verliert sich vor Ort von KZ-Opfern in seinem Wohnzimmer aufbewahrt? Wenn sie sich Ende der 1960er Jahre für die Ehe entscheidet, hofft sie, dass "ihre Liebe für den Teil des Mannes reicht, der im Lager geblieben war". Denn der zehn Jahre ältere Heiner ist noch immer traumatisiert. Sein zwanghaftes "Schau, Lena ..." zeigt an, dass er mit grauenhaften Erinnerungen kämpft, die er unbedingt erzählen muss. Als Häftling 63.140 hat er die Lagerzeit überstanden. Jetzt will er, Heiner Rosseck, als Zeuge wahrgenommen werden. Und Lena? Wie belastbar ist die Liebe? Wie viel Vergangenheit erträgt der Mensch? Stumpft wiederholt beschriebener Gräuel nicht ab? Die Autorin Monika Held setzt sich mit diesen Fragen auseinander. Und ihr gelingt scheinbar Unmögliches: eigentlich Nicht-Erzählbares an ihre Leser weiterzugeben. Das 2012 von Margarete Mitscherlich verfasste Nachwort unterstützt das Anliegen der Autorin und macht Mut, sich unter deren Obhut dem Ort des Grauens anzunähern. Unbedingt lesenswert.

Kirsten Sturm

Kirsten Sturm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Der Schrecken verliert sich vor Ort

Der Schrecken verliert sich vor Ort

Monika Held
Eichborn (2013)

270 S.
fest geb.

MedienNr.: 375698
ISBN 978-3-8479-0529-5
9783847905295
ca. 19,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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