Das Abendreich

In dem sagenhaften Königreich um Alt-Brega wohl zu Anfang der Neuzeit verdrängt man die äußere Bedrohung durch eine rohe Kriegsmacht, die an die Mongolenstürme erinnert. Der namenlose Ich-Erzähler bricht im ersten Teil des Buches mit vier Getreuen Das Abendreich auf, um unerlaubt der belagerten Stadt Roscharta zu Hilfe zu eilen. Die Eindrücke und Erlebnisse als Verteidiger bilden den 2. Teil. Viel wichtiger und auch umfangreicher als Handlungen sind die Schilderungen von Landschaft, Natur und Stadtanlagen. Sie sind auch Stimmungs- und Gedankenbilder der Hauptperson. Fast wie in Traumvisionen wird die Umgebung wahrgenommen, was einen als Leser fasziniert. Über der ganzen Erzählung liegt ein eher lyrischer Ton. In der künstlerischen Gestaltung des Geschehens folgt der Schriftsteller Julien Gracq den surrealistischen Anregungen seines Freundes André Breton. Der Buchtitel hängt wohl mit einer gewissen Endzeitstimmung zusammen. Eine Entwicklung des namenlosen Helden, der zudem ziemlich allein zwischen wenigen blass bleibenden Personen das Geschehen erlebt, gibt es in der Erzählung nicht, Welthaftigkeit, soziales Gefüge und Epochenbezug scheinen allenfalls indirekt in den visionären Darstellungen auf. Aus diesem Grund stört es auch nicht, dass ein klarer Schluss fehlt, das Buch unvollendet geblieben ist. Julien Gracq (1910 - 2007), ein Geografielehrer, ist von der Schönheit, aber auch Fremdheit der Landschaft fasziniert und macht sie eigentlich zur Hauptperson dieses Werkes. Davon lässt man sich als Leser gerne anstecken. Das informative Nachwort des Übersetzers Dieter Hornig macht die Leser/innen mit dem in Frankreich geschätzten Schriftsteller bekannt.

Bernhard Grabmeyer

Bernhard Grabmeyer

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Das Abendreich

Das Abendreich

Julien Gracq
Literaturverl. Droschl (2017)

224 S.
fest geb.

MedienNr.: 868377
ISBN 978-3-85420-987-4
9783854209874
ca. 23,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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