Montedidio
In Italien ist Erri de Luca (geb. 1950) seit Jahren bereits ein Erfolgsautor, dessen Bücher man fast an jeder Tankstelle finden kann. In Deutschland fand vor allem sein Roman "Der Tag vor dem Glück" (BP/mp 11/361) sowohl bei Kritikern wie bei Lesern ein sehr positives Echo. Das hat den Verlag vielleicht dazu bewogen, weitere, auch ältere Bücher von de Luca zu veröffentlichen. 'Montedidio' liegt im italienischen Original bereits seit über zehn Jahren vor. Im Mittelpunkt steht hier wieder die Erinnerung des Autors an Episoden aus seiner neapolitanischen Kindheit. Der Junge, bei dem man vielleicht auch autobiografische Bezüge entdecken kann, wächst in Montedidio, einem quirligen Viertel kleiner Leute, Handwerker, Tagträumer und Geschichtenerzähler auf. Seine wichtigsten Bezugspersonen in dieser Zeit sind weniger die Eltern als der Schreiner Enrico und der Schumacher Don Rafaniello. Das Lieblingsspielzeug des kleinen Jungen ist ein Bumerang, dessen Flugbewegung sich auch als eine Metapher für das Leben lesen lässt. Man schleudert dieses so einfache, aber raffinierte Holzstück kraftvoll von seinem Körper weg, aber es kehrt dann auch immer wieder zum Körper, zur Kindheit zurück. Fein und literarisch sehr gefühlvoll schildert der Autor auch, wie der Junge langsam das andere und sein eigenes Geschlecht entdeckt. "Im Frühling war ich noch ein Kind, und jetzt stecke ich mitten in ernsten Dingen, die ich nicht verstehe." - Der Autor versteht es meisterhaft, krude Wirklichkeit und Traum, Realität und Märchen ineinanderfließen zu lassen. Und dann ist der Roman auch noch in sehr lesefreundliche kleine Kapitel aufgegliedert, was vielleicht seine große Resonanz beim italienischen Lesepublikum zusätzlich erklärt. Breit empfohlen. (Übers.: Annette Kopetzki )
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Montedidio
Erri de Luca
Graf (2012)
217 S.
fest geb.