Wege mit Martin Walser
Die in Amerika lebende Literaturwissenschaftlerin Susanne Klingenstein war im Herbst 2014 mit Martin Walser in Deutschland auf Lesereise unterwegs. Ihre "Wege mit Martin Walser" verarbeitet die Autorin in sieben Kapiteln zu einer Biografie seines späten Lebensabschnitts. Sie beginnt 2008 in Wasserburg am Bodensee, woher sie selbst stammt, besucht in den Folgejahren Walser zu Gesprächen auf seiner Terrasse in Nußdorf am See und erlebt ihn als "performance artist" bei seinen Lesungen, wobei er es vortrefflich versteht, Publikum wie Journalisten zu verzaubern. - Klingenstein will mit ihrem Buch "einen der größten Schriftsteller seiner Generation" entschlüsseln helfen, denn "wenige Schriftsteller sind so total ihr Werk wie Martin Walser" (S. 16). Dafür holt sie weit aus, hält sich lange mit Walsers Erinnerungsroman "Ein springender Brunnen" (1998) auf, der 1944 am Bodensee spielt, gibt tiefe Einblicke in sein Schreiben und in die Rituale bei seinen Lesungen. Sie verschweigt weder sein Ungehaltensein, wenn der obligatorische Weißwein davor nicht rechtzeitig kredenzt wird, noch ihrer beider Verstimmungen gegen Ende der gemeinsamen Lesereise, als Walser sich gedanklich schon mit seinem nächsten Roman, "Ein sterbender Mann" (BP/mp 16/1069), befasst. - Klingensteins aufschlussreiches und unterhaltsames Buch ist für alle Büchereien geeignet.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Wege mit Martin Walser
Susanne Klingenstein
Weissbooks (2016)
380 S. : Ill.
fest geb.