Der Mann mit dem Hut
Joel Berger (geb. 1937 in Budapest), früherer württembergischer Landesrabbiner, verbindet in seinen Erinnerungen (aufgezeichnet von Heidi-Barbara Kloos) persönliche Erlebnisse und historische Ereignisse so authentisch, lebensnah, direkt und spannend, dass der Leser einen umfassenden Einblick in die politischen, gesellschaftlichen und religiösen Entwicklungen bzw. Katastrophen des 20. Jh. erhält. Berger, Sohn einer ungarischen jüdischen Familie, erlebt als Kind den in weiten Teilen der Bevölkerung vorherrschenden Antisemitismus und nach der Besetzung durch die Wehrmacht (1944) den brutalen Terror der Nazis. Die ersehnte Befreiung (1945) wandelt sich in Bevormundung und Unterdrückung durch die kommunistische Diktatur. Totalitäre Strukturen, Intoleranz und Antizionismus, aber auch die unterwürfige und kritiklose Haltung vieler jüdischer Mitbürger veranlassen den als Rabbiner tätigen Berger 1968 zur Emigration in die BRD, weil er dort - wie auch in Israel - eine funktionierende Demokratie verankert sieht. Neben der interessanten Wissensvermittlung - insbesondere in Bezug auf Entwicklung und Kultur des jüdischen Lebens - bestechen Bergers Geschichten durch eine unverkrampfte, offene, humorvolle Sicht auf sein eigenes Schicksal in einer von unterschiedlichen Faktoren beeinflussten Welt. Eine beiliegende CD lässt Berger selbst zu Wort kommen; ein ausführlicher Anhang vervollständigt das sehr empfehlenswerte Buch.
Inge Hagen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der Mann mit dem Hut
Joel Berger
Klöpfer & Meyer (2013)
384 S.
fest geb.