Postskriptum

Die Nazidiktatur bildet in doppelter Hinsicht die schroffe und schmerzliche Zäsur im Leben des bislang gefeierten österreichischen Filmschauspielers Lionel Kupfer. Wegen seiner jüdischen Herkunft erhält er nach 1933 kein Engagement in Deutschland Postskriptum mehr. Ausgerechnet sein Geliebter überbringt ihm in die Schweiz die Hiobsbotschaft von der Auflösung seines Filmvertrags. Zudem erweist Eduard sich als Sympathisant und Nutznießer des Regimes, insofern er sich an Raubkunstgeschäften beteiligt. Kupfer emigriert in die USA, was aber gleichzeitig "die Auslöschung des Lionel Kupfer als Schauspieler" (S. 237) bedeutet, weil er nun lange Zeit kein Publikum mehr findet. Gleichzeitig schildert der raffiniert konstruierte Roman die tragische, weil unerfüllt gebliebene gleichgeschlechtliche Liebe des Protagonisten zu dem jungen Schweizer Postbeamten Walter Staufer. Die kurze, natürlich geheim gehaltene Affäre wird ihn ein Leben lang nicht loslassen. Sein Leben lang begleitet Lionel auch der tragische Tod seines Bruders, den er geradezu obsessiv in der Rezitation von Goethes Erlkönig verarbeiten muss. - Ein vielschichtig aufgebauter, biografisch fundierter Entwicklungs-, Künstler- und Liebesroman des v.a. durch den Bestseller "Aus den Fugen" (2012) bekannt gewordenen Schweizer Autors also - melancholisch, aber niemals pathetisch, auf dezente Weise ergreifend, aber niemals kitschig und von großer sprachlicher Meisterschaft. Sehr zu empfehlen.

Helmer Passon

Helmer Passon

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Postskriptum

Postskriptum

Alain Claude Sulzer
Galiani (2015)

251 S.
fest geb.

MedienNr.: 582256
ISBN 978-3-86971-115-7
9783869711157
ca. 19,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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