Hartland
Der Journalist Wolfang Büscher wagt etwas, wovor ihn alle gewarnt hatten: Er will zu Fuß die 3500 km vom Norden der USA bis hinunter nach Mexiko überwinden. Daher nennt er sich selbstironisch "Amerikadepp". Doch Büscher meistert seine Reise und trifft auf ein Amerika, wie es in keinem Reiseführer zu finden ist. Aus seinen Erlebnissen ist ein Buch entstanden, das voller Geschichten ist, welche authentischer nicht sein könnten. Da trifft er in einem Schneesturm auf den aufgegebenen und vergessenen Ort Hartland, wo er die Nacht in einem verlassenen Haus verbringt, freundet sich mit einem Cowboy-Indianer an und wird nicht nur einmal von freundlichen Amerikanern aufgegabelt und mit dem Auto mitgenommen. Die Menschen erzählen ihm Geschichten aus ihrem Leben, ein junger Pfarrer, der seine Berufung erst durch Umwege fand, Carol, die ihm "den freimütigsten Blick in die amerikanische Seele" gewährt und der heutige Sektenchef der Davidianer-Sekte in Waco. Büscher lässt sich weder von Schnee und Eis in Nord-Dakota noch von Hurrikans und schweißtreibender Hitze in Texas aufhalten. Ob er von übermütigen Sheriffs gleich einem Verbrecher mit gespreizten Beinen an den Polizeiwagen gestellt wird oder seinen Rucksack verliert, Büscher schlägt sich durch bis an die mexikanische Grenze. Doch Büscher erzählt nicht nur Geschichten der Gegenwart, er lässt auch einen Blick in Amerikas Vergangenheit zu, berichtet von dem frühen Leben der Indianer, der Hoffnung der Goldsucher und den Exkursionen von Forschern und Entdeckern. Büscher ist ein Meister der Sprache, seine Erzählungen strotzen vor Metaphern, Vergleichen und Wortspielen, in die er seine Beobachtungen verpackt. Auch wenn das Buch reich an voneinander unabhängigen Begebenheiten ist, so spinnt Büscher sie zu einer einmaligen Mischung aus Reisebericht, Reportage und bildreicher Prosa zusammen. Allen Büchereien sehr zu empfehlen!
Aline Ehrenreich
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Hartland
Wolfgang Büscher
Rowohlt (2011)
300 S. : Kt.
fest geb.