Tor der Tränen
Der im ostafrikanischen Dschibuti geborene Autor erzählt von ungleichen Zwillingsbrüdern: Djib arbeitet für eine internationale Beratungsfirma an geostrategischen und wirtschaftlichen Großprojekten. Er ist beruflich für kurze Zeit nach Dschibuti zurückgekehrt. Dschamal ist in der Heimat geblieben, hat sich einem militanten islamistischen Prediger angeschlossen und sitzt wegen Terrorismusverdachts im Gefängnis. Die Stimmen der Brüder wechseln sich ab: Djib füllt Schreibhefte mit Beobachtungen, referiert über Zusammenhänge in der globalisierten Welt, benennt ausländische Interessen in Ostafrika. Gleichzeitig kehren Erinnerungen an seine Kindheit zurück, an seinen Bruder und seinen jüdischen Freund David. Derweil erläutert Dschamal seine Abkehr vom westlichen Gesellschaftsideal und die Ablehnung fremder Einflüsse in Dschibuti. Er rechtfertigt den Einsatz von Gewalt gegen Ungläubige, zu denen er auch seinen Bruder zählt. Der Inhaftierte beschreibt zufällig angewehte Blätter, darunter solche, die einen Text über die Flucht des deutschen Juden Walter Benjamin vor den Nazis enthalten. - Ein vielschichtiger, komplexer, stilistisch gelungener Roman, der Einblicke in aktuelle Befindlichkeiten zwischen dem Norden und der arabischen Welt gewährt. (Übers.: Katja Meintel)
Thomas Völkner
rezensiert für den Borromäusverein.
Tor der Tränen
Abdourahman A. Waberi
Ed. Nautilus (2011)
159 S. : Kt.
fest geb.