Der Intendant kommt
Die Künstlernovellen "Zweite Stimme" (2009) und "Tuba Novelle" (2010) von Rainer Wieczorek wurden von der Kritik als kleine Entdeckungen am Rande des Literaturbetriebs geschätzt. Ihr Erzähl- und Erfolgsprinzip: Die durchaus friedfertige Auseinandersetzung
der Kunst mit der Kunstfeindlichkeit des Lebens. Daran schließt die - in der ersten Auflage schon 2005 erschienene - Novelle "Der Intendant kommt" an. Es ist diesmal abermals ein Hindernisrennen der Kunst - mit einer bizarren Konstellation. In der fiktiven Rahmenhandlung berichtet ein Theaterwissenschaftler von der Bühnenarbeit eines gewissen Joachim Schoor, eines avancierten Künstlers, der die "Abkehr vom Publikums-Theater" propagiert. Das ergibt ein Problem, das sich die Binnenhandlung gewitzt zunutze macht. Denn von Theaterstücken, die nie ein Mensch gesehen hat, lässt sich schlecht reden. Außer in Mutmaßungen und allerlei Phantasien aus der Theaterwelt, in der Schoor gelebt, mit Studenten gearbeitet und vornehmlich nachts an seiner neuen theatralen Konzeption gefeilt hat. Das alles klingt manchmal wie an den Haaren herbeigezogen, ist aber munter und humorvoll genug erzählt, um einen Lesespaß zu ermöglichen, der auch nach der ersten Lektüre noch anhält. Besonders gelungen ist das letzte Kapitel, in dem der Nachtportier seine Pförtnerloge Richtung Bühne und Schoor, ein "Partisan der Seitenbühne", das Inspizientenpult verlässt: Rollentausch mit verkehrten Regieanweisungen, bis am Sonntagmorgen "der Intendant kommt" und die ganze Bescherung sieht. - Gut erzählt, größeren Beständen empfohlen.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.

Der Intendant kommt
Rainer Wieczorek
Dittrich (2011)
134 S.
fest geb.