Ein Rest von Blau
Von Friedrich Hirschl sind bereits mehrere Gedichtbände erschienen. Sie kommen beim Publikum gut an; denn sie sind kurze Tupfer, die bei vielen Lesenden vertraute Gefühle und Erlebnisse aufleben lassen. Dazu braucht es keine Erklärungen, es sind keine Entschlüsselungen nötig, wie sie sonst oft in zeitgenössischer Lyrik gesucht wird. Die lyrischen Bilder fangen Momente aus dem Alltag, aus der Natur und natürlich der Liebe ein. Das kann die Wahrnehmung eines vorbeifahrenden Zuges sein ("Unterbrechung" oder "Lange Kurve") oder ein Gebirgsbach erscheint als Gesprächspartner ("Gebirgsbach im Frühling"). Dann spielt die Nacht ein stilles Theater (S. 156) oder es geht um zugefrorene Autofenster (S. 175). Liebesbeschwörung ("Deine Blicke") oder Eifersucht ("Einer") kommen mit ganz wenig Worten aus, es reicht jeweils ein kurzer Vergleich. Die Texte, meist nur eine halbe Seite oder weniger lang, sind reimlos. Öfters werden sie noch in kleine Abschnitte unterteilt und fangen so die Erlebnismomente ein. Faszinierend sind die kreative Wahrnehmung der Umgebung und die fantasievolle Verarbeitung zu aussagekräftigen Bildern. Die 181 kurzen Gedichte sind in elf Themenkreisen geordnet, in denen Dinge und Gegebenheiten wie Personen zu den Lesenden sprechen. Die Farbe Blau im Titel, sozusagen die Farbe dieser Gedichte, stimmt die Lesenden schon ein auf Ferne, Himmel, Gefühle und Sehnsucht. Dieser Einladung zu folgen, lohnt sich.
Bernhard Grabmeyer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ein Rest von Blau
Friedrich Hirschl
edition lichtung (2022)
191 Seiten
fest geb.