Nowhere Girl
Beliebt zu sein und beste schulische Leistungen zu erbringen sind für die 11-jährige Magali die größten Ziele. Zwar hat sie Freundinnen, doch den Anforderungen der 5. Klasse kann sie nicht standhalten. Ihre Eltern – beide Psychotherapeuten – wirken angesichts der Probleme ihrer Tochter merkwürdig hilflos. Magali flüchtet sich in die Musik und das Leben der Beatles. Ihre Schwärmerei bekommt bald pathologische Züge, zumal sie nicht mehr zur Schule geht und sich sozial immer mehr isoliert. Aus diesem schweren Thema eine leichtfüßige, ja heitere Graphic Novel zu gestalten, ist die große Kunst der Autorin, die hier von ihren eigenen Pubertäts-Erfahrungen erzählt. Als "nowhere girl" träumt sich die junge Heldin in die Zeit der späten 60er Jahre, die Zeit von Beat und Hard Rock, von Flower-Power und psychedelischer Ästhetik. Für Magali spielt es keine Rolle, dass ihre Liebe zu John, Paul, George und Ringo 20 Jahre zu spät kommt. Die Beatles begleiten sie durch ihr Leben und führen sie schließlich an den Ort, an dem sie ihre Talente entfalten kann, eine Kunst-Schule. Für viele Schüler:innen wird derzeit die Bilanz nach Schul-Schließungen und Lockdowns weniger positiv ausfallen, Magali hat Glück gehabt. Doch ihren Weg zu verfolgen ist ein Lese-Vergnügen der besonderen Art: Die Monologe und Dialoge sind witzig und selbstironisch, die Zeichnungen so zerstreut und fahrig, wie es dem Wesen der Figuren entspricht, die Seiten perfekt durchkomponiert. Das Buch kann dreierlei Adressaten ansprechen: junge Leser:innen werden ihre "Innenwelten" wiedererkennen, ältere Leser:innen können ihre Beatles-Leidenschaft aufleben lassen. Und schließlich werden Eltern erfahren, dass ihre pubertierenden Kinder manchmal an unzugänglichen Orten leben!
Dominique Moldehn
rezensiert für den Borromäusverein.
Nowhere Girl
Magali le Huche ; aus dem Französischen von Silv Bannenberg
Reprodukt (2022)
113 Seiten : farbig
fest geb.