Planet ohne Visum

Einige Monate vor der endgültigen Besetzung der Freien Zone halten sich in der Hafenstadt Marseille reihenweise Flüchtlinge auf, die vor dem Krieg und vor den Nazis fliehen und auf eine Ausreise nach Amerika hoffen. Dafür braucht es aber Visa, die Planet ohne Visum nur schwer zu bekommen sind. Zwar sind die Besatzer noch nicht in die Freie Zone einmarschiert, die Gestapo ist aber schon da und auf der Jagd nach Flüchtlingen, vor allem auf Juden. Bei der Visabeschaffung geht es um Beziehungen, um Bestechung; Hilfsbereitschaft ist die rare Ausnahme. Von Fluchthilfeorganisationen werden auch Grenzübergänge über die Pyrenäen ins neutrale Spanien organisiert; manche dieser Fluchten enden auch tödlich. Es gibt menschliche Tragödien zuhauf, und als im November 1942 die deutsche Wehrmacht endgültig in Vichy-Frankreich einmarschiert, zerschlägt sich für viele die Hoffnung auf Rettung. - Der Autor lässt eine Fülle von Figuren auftreten, fiktive und historisch verbürgte. Viele der Protagonisten sind auf verhängnisvolle Weise miteinander verstrickt. Der Autor zeichnet ein kompromissloses Bild dieser Zeit. Realistische Beschreibungen der Situationen wechseln mit psychologischen Selbstbetrachtungen einzelner Akteure. Die Lektüre gestaltet sich nicht selten fordernd aufgrund der schieren Fülle an Figuren, an Zeitsprüngen, Erzählhaltungen, Perspektivwechseln. Der Roman erschien erstmals 1947 in Frankreich, später auch in anderen Ländern und jetzt erstmals auf Deutsch. Das ist sehr anspruchsvolle Lektüre; für ausdauernde Leser aber sicher ein Gewinn.

Erwin Wieser

Erwin Wieser

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Planet ohne Visum

Planet ohne Visum

Jean Malaquais ; aus dem Französischen von Nadine Püschel
Edition Nautilus (2022)

661 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 611566
ISBN 978-3-96054-294-0
9783960542940
ca. 32,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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