Slocum
Auf kindlich skizzenhafte Weise erzählt Soecker in seiner Graphic Novel „Slocum“ die Geschichte jenes gleichnamigen Dampfschiffes, das 1904 auf dem East River nördlich von New York in Brand geriet und mit etwa 1.400 überwiegend deutschstämmigen Ausflugs-Passagieren auf Grund lief. Das Sinken der Slocum gilt bis heute als größte zivile Schifffahrtskatastrophe der Vereinigten Staaten. Soeker dokumentiert nicht ohne Aufblitzen von schwarzem Humor, dass Details wie der miserable Wartungszustand des Schiffes sowie etliche Fehlentscheidungen des Schiffspersonals vielleicht zum Unglück führen mussten. Während James Cameron den Untergang der Titanic großformatig und im 3D-Stil anpackte, wählt Soeken in seiner Graphic Novel eine kleinformatige, beinahe groteske Art der Darstellung. So nimmt er sich die Zeit, drei Matrosen zu zeigen, die in ihrer Langeweile an Bord immer wieder Rettungsboote anstreichen, die im Unglücksfall vor lauter Farbe nicht aus ihren Halterungen zu bekommen sind. Bei der fatalen Ausflugsfahrt der Slocum war die deutsch-amerikanische St.-Markus-Gemeinde an Bord, darunter viele Kinder und ihr neunmalkluger Pastor George Haas. Durch die Lupen-Perspektive wird deutlich, wie Haas dem Kapitän, der am liebsten in Ruhe seinen Tee im Steuerhaus trinken würde, auf die Nerven geht und letztlich sogar von einem gelungenen Rettungsmanöver abhält. Soeken erzählt über seine simplifizierten Bilder von einer Mega-Katastrophe, die offenkundig vermeidbar gewesen wäre. Interessantes Lese-Abenteuer, nicht nur für Menschen, die Teil einer Schiffscrew sind.
Michaela Groß
rezensiert für den Borromäusverein.
Slocum
Jan Soeken
avant-verlag (2021)
119 Seiten
fest geb.