Das dritte Licht
Lieblos wie ihr bisheriges Leben wird der Abschied von dem Vater, als er seine kleine Tochter, deren Name bezeichnenderweise nicht genannt wird, bei kinderlosen Verwandten abgibt - die Mutter erwartet schon wieder ein Kind und das Geld ist knapp. In
dieser Familie erfährt das Kind all das, was ihr bisher versagt blieb: Zuneigung, Interesse und ein bisschen Verwöhnen. Allmählich heilen ihre seelischen Verletzungen. Jetzt wird sie wichtig, sie wird in das Leben ihrer Ersatzeltern integriert, erfährt die Liebe von Erwachsenen. Auf wenigen Seiten gelingt es der Autorin, die Tiefe des Schmerzes eines vernachlässigten Kindes auszuloten. Das Fehlen ausufernder und anklagend larmoyanter Nabelschau der Ich-Erzählerin verleiht der Erzählung besondere Intensität und Dichte. - Wenn die Erstausgabe von 2013 (BP/mp 14/113) noch nicht oder nicht mehr vorhanden ist, sehr zu empfehlen.
Lotte Schüler
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Das dritte Licht
Claire Keegan ; aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser
Steidl Verlag (2023)
95 Seiten
fest geb.