Babylonisches Repertoire

Der Mittdreißiger Yair hat in Tel Aviv noch keinen festen Stand im Berufs- und im Privatleben, aber er ist der Einzige aus der ganzen Familie, der sich rührend um den senil werdenden Großvater Avigdor kümmert. Er besucht ihn regelmäßig und versucht, Babylonisches Repertoire den Verstummten an die vielen Stationen seines Lebens zu erinnern. Denn Avigdor stammt aus Litauen, seine Familie floh vor den anrückenden Deutschen in die zentralasiatischen Sowjetrepubliken. Später arbeitete er als Ingenieur in Gorki und konnte in den 80er Jahren nach Israel auswandern, womit seine Frau und seine pubertierenden Töchter nur sehr bedingt einverstanden waren. - Der Erzählstrang in der Gegenwart zieht sich über einen längeren Zeitraum, in dem Yair sich von seinem früheren Freund löst und eine neue Liebe findet. Der Rückgriff auf die Vergangenheit, die er Avigdor erzählt, beginnt schon mit den komplizierten Verhältnissen und auffallenden Eigenarten der Urgroßeltern. Keine Romanfigur passt in das Klischee des frommen duldsamen Juden. Beide Handlungslinien mit vielen Protagonisten sind eng ineinander verschränkt; der Leser muss sich zwischendurch im Personenregister orientieren, wie und wann die Handelnden miteinander verknüpft sind, auch weil russische und hebräische Namen vorherrschend sind. Wie schon der Titel andeutet, ist die familiäre Vergangenheit mehr als komplex und prägt vermutlich auch die Lebenshaltung der jüngeren, in Israel geborenen Generation. Der Roman ist durchaus lesenswert für Leser/innen, die sich an deutlichen Beschreibungen von homosexuellen Handlungen nicht stören.

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Babylonisches Repertoire

Babylonisches Repertoire

Gabriel Wolkenfeld
Müry Salzmann (2021)

509 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 993846
ISBN 978-3-99014-219-6
9783990142196
ca. 29,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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