Nur noch den Abend erreichen
Fast alle der hier versammelten Gedichte haben sehr kurze, aber immer neugierig machende Titel: "Ufer", "Besuch", "Hunger", "Schön", "Morgen" oder "Pilger". Die Gedichte sind dann auch kurz, aber Vorsicht, man muss sie schon mehrere Male lesen, um sie dann langsam zu verstehen. Zum Beispiel das Gedicht mit dem lapidaren, ganz und gar unpoetischen Titel "Edeka": "Ich komme fast täglich/hierher. Es gibt die Dinge/ die wir zu kaufen pflegten./Du und ich waren gerne hier./ Wie lange schauten wir in diese Regale./ Das war unser Leben, jeden Tag./ Die Einkaufstaschen, unsere Wohnung, die Verteidigung der Welt./ Ich liebe unsere Gespräche von einst./ Ich komme fast immer hierher/ und kaufe die gleichen Dinge wie früher." Kann man einem Gedicht den Namen einer Handelskette geben? Und kann die Banalität und Alltäglichkeit des Einkaufs in einem Supermarkt im Mittelpunkt eines Gedichts stehen? Die Gedichte von Fedor Pellmann zeigen, dass es für Gedichte keine Orte, keine Themen, keine Ereignisse gibt, denen man sich nicht poetisch widmen kann. Entscheidend für die Qualität eines Gedichts ist die jeweilige Umsetzung in eine literarische Form. Und wenn auch nur ein Wort, eine Verszeile nach der Lektüre in Erinnerung bleibt, dann hat das Gedicht ein Echo bei den Lesern gefunden. In diesem Band gibt es viele Gedichte, die genau diesen Nachhall-Effekt besitzen. Nachhallende Gedichte, die zum Nachdenken reizen. Man kommt einfach nicht los von diesen verspielten, phantasiereichen, vertrackten, manchmal sogar verzaubernden Gedichten. "Mit jedem Tag lerne/ ich die Erde ganz. Sie ist breit/ und heiß und dumm".
Carl Wilhelm Macke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Nur noch den Abend erreichen
Fedor Pellmann ; ausgewählt von Thomas Kunst
Jung und Jung (2024)
137 Seiten
fest geb.