Do Re Mi Fa So
Sebastian Saum, gefeierter Opernsänger, lebt mit Franz Gold, der sich um ihn kümmert und für ihn kocht, in einer WG. Eines Tages beschließt Sebastian, sich in die leere Badewanne zu legen und nicht mehr aufzustehen. Diese Art des Protestes zieht
sich über 16 Tage hin. Er denkt über sein Leben nach, die Kindheit, seine Kleidung, vor allem die Hemden, die er je getragen hat; er erinnert sich an seinen früh verstorbenen Vater und an viele Menschen, denen er im Laufe seines Lebens begegnet ist. Franz bemüht sich um Sebastian, versorgt ihn mit allem, wirft ihm allerdings auch vor, allmählich in den Wahnsinn zu gleiten. Und immer wieder tauchen Hemden auf und damit verbundene Erinnerungen und Ereignisse. Er stellt sich vor, wie parallel zu seinem Nichtstun in der Wanne das Leben außerhalb abläuft. Er bemerkt, wie die Sehnsucht nach allem, was er durch seinen Rückzug zurückgelassen hat, zunimmt. Endlich beschließt er, die Wanne zu verlassen, findet sich allein im Haus, Franz ist verschwunden, es gibt keine Lebensmittel. Sebastian tritt mit seinem Blaumann und Gummistiefeln ins Freie und geht auf die Stadt zu. Der Schluss bleibt offen. – Tine Melzer erzählt diese außergewöhnliche Geschichte mit ausgefeilter Sprache und lyrischer Wortwahl. Bei Interesse an aktueller deutscher Literatur empfohlen.
Wilfried Funke
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Do Re Mi Fa So
Tine Melzer
Jung und Jung (2024)
189 Seiten
fest geb.