Sie gehört zum Menschsein und begleitet Kinder wie Erwachsene: Die Gefühlswelt eines jeden Menschen ist komplex, und sich damit gedanklich und künstlerisch auseinanderzusetzen, bringt meist auf neue Ideen. Hier nun werden acht aktuelle Titel vorgestellt und Antje Ehmann hat die Künstler nach ihren Gefühlen befragt.

Sandra Grimm und Lena Ellermann sind bereits ein eingespieltes Team. Nach „Warum gibt es eigentlich Streit?“ folgt nun „Woher kommen die Gefühle?“. Wiederum ist das große, quadratische Format und das Cover überaus ansprechend gestaltet. Diesmal sind die Gefühle in den Sprechblasen platziert. Fröhlich, neidisch, wütend, stolz, verliebt - und schon hat man eine ganze Palette an Möglichkeiten und Ansätzen. Wie sich das in der Körpersprache ausdrückt, sieht man da gleich und zu diesem interessanten Aspekt gibt es innen auch eine Mitmachseite. Sowieso ist das kluge Sachbuch auf das Mitmachen der Kinder hin angelegt. Viele Fragen, Anregungen und Informationen werden hier geboten. Noch viel mehr Ideen stecken in dem Bilderbuch-Erlebnispaket „So fühle ich“ (Carlsen Verlag) – vor allem für Projekttage in Kitas hervorragend geeignet. „Mein Lieblingsgefühl ist Freude, die manchmal so still und leise in einem Lächeln daherkommen kann und manchmal laut herausgelacht oder gejubelt wird. Gerade Kinder erleben ihre Gefühle so wunderbar intensiv und stecken uns damit an“, so Grimm.
Weiterlesen
Zur Sache! - Sachbücher für Kinder im Grundschulalter (2024)
Nur die Allerbesten und von Anfang an! - Pappbilderbücher (2024)

Ein ähnliches Gefühl hat sich Ina Schmidt, eine der vier Autorinnen des Bandes Wir leben – wir fühlen aus der Reihe Wir leben ausgewählt. „Ich finde die Vorfreude wunderbar. Dieses Kribbeln, wenn ich mich auf etwas freue, das bald stattfinden, ankommen oder gefeiert werden wird. Es fühlt sich an, wie eine Lampe, die man innerlich anknipsen kann und die hell und warm auf das leuchtet, was kommt.“ Anke Evers hat das Vorlesebuch in zarten Farben gestaltet und zeigt auf einer Doppelseite zunächst den Klassenraum der Kinder, um die es hier geht. Die 1a der Wiesenberg-Grundschule erlebt im Laufe des Schuljahres so einiges. Und dabei fehlt kaum ein Gefühl. Herrlich, wie Obst und Gemüse Emotionen verkörpert: Der mutige Mais, die trotzigen Tomaten und die grummelige Gurke sind da auf dem Tischtuch versammelt. Eine reiche Fundgrube von Ina Schmidt, Ayse Bosse, Sarah-Sophie Prix und Johanna Klug, die etliche Ansatzpunkte bietet, um sich mit dem Thema Gefühle zu beschäftigen.

Wie es eigentlich den Tieren mit ihren Gefühlen so geht, damit haben sich Lotte Stegemann und Mark Janssen auseinandergesetzt. In Die Gefühle der Tiere - von eifersüchtigen Affen, ängstlichen Hunden und pfiffigen Ratten gibt es einen hochinteressanten Rundumschlag – so viele Tiere und so viele Gefühle! Was fühlt ein Delphin, wie zeigt sich die Wut bei einer Pumamutter und haben Regenwürmer überhaupt Gefühle? Das Sachbuch fällt allein schon wegen der intensiven, fotorealistischen Tierdarstellungen des niederländischen Illustrators auf. Vor weißem Hintergrund sind ganz verschiedene Tiere zu sehen. „Ich habe die Tiere im Grunde so gezeichnet, als säßen sie bei dem Fotografen auf einem Stuhl für ein Porträtfoto bereit“, so Janssen. Diese Art der Darstellung macht neugierig. Die berühmte Tierforscherin Jane Godall hat zudem ein bemerkenswertes Vorwort beigesteuert. „Der sehr ängstliche Hund – ich habe versucht, noch eine Extraportion dieses Gefühls in seine Augen zu legen. Betrachter sollen sofort berührt sein“, ergänzt Janssen noch.

Und tatsächlich, das Gefühl der Angst ist für viele Menschen besonders bedrohlich. In Was uns Angst macht sind Fran Pintadera und Ana Sender diesem Gefühl auf der Spur. Übersetzerin Ilse Layer dazu: „Als Kind war Angst für mich ein diffuses Gefühl. Mich haben an diesem Bilderbuch die schwarzen Eier fasziniert, mit denen die Illustratorin der Angst viele Gestalten verleiht. Sie verwandeln sich und sind mal riesengroß, mal winzig klein. Ich glaube, je deutlicher schon kleinen Kindern wird, welche unterschiedliche Formen Angst annehmen kann, desto weniger furchterregend ist sie.“ Schon auf dem Cover gelingt es der spanischen Illustratorin geschickt, die zwei Augen so zu platzieren, dass man sie unter Umständen erst auf den zweiten Blick sieht. Ein intensives Gespräch, das mit der Frage „Papa, hast Du schon mal Angst gehabt?“ beginnt und nicht nur Max neue Erkenntnisse beschert.

Auch schon kleinere Kinder sind mit ihren Gefühlen beschäftigt, und die Wut gehört da unbedingt dazu. Dass der englische Autor und Illustrator genau den Nerv trifft, zeigt die Auszeichnung mit dem Buxtehuder Kälbchen. Kleiner Drache, große Wut, sein Bilderbuchdebüt, ist mittlerweile im Pappbilderbuch erhältlich und die Reihe hat mehrere Bände, in denen sich alles um den Drachen „Fergal“ dreht, wie er im Original heißt. Nachdem die Freunde rundum genug von ihm haben, sammelt er Tricks, um besser mit seiner Wut umzugehen. „Alles begann mit einer kleinen Skizze von einem wütenden Drachen“, erinnert sich Sterling. „Dann dauerte es, bis die Figur fertig entwickelt war, klar wurde, was im Bild und was im Text erzählt werden sollte, und erinnerte mich ein wenig an meine eigene Kindheit“, ergänzt er noch. Auch in den anderen Bänden setzt er sich mit den Gefühlen des Drachenjungen auseinander – was kann Finn tun, wenn er im Zeltlager Angst hat oder wie reagiert Finn, als er eine kleine Drachenschwester bekommt? Überaus alltagsnah und hilfreich.

Der Illustrationsstil der polnischen Künstlerin Aleksandra Zajac ist einfühlsam, die Fantasiewesen überraschend und ihre Farbgebung zurückhaltend. In Vertrauen und Mut kennen sich gut nun geht es wieder um Gefühle. „Großartig finde ich die Illustration der explodierenden Wut. Und ich habe mich gefreut, dass die Furcht in ihrer rostigen Dose unter dem Schrank wieder auftaucht, die mag ich auch sehr gerne“, so der Übersetzer Thomas Weiler. Die Zusammenarbeit mit der Autorin Tina Oziewicz ist ein Glücksfall, denn die Bücher, übrigens auch für Erwachsene bereichernd, sind herausragend und inspirierend. „Das Polnische kennt keine Artikel, im Deutschen musste da eine Grundsatzentscheidung her. Mit dem Verzicht werden die Namen der Gefühle zu Eigennamen der abgebildeten Wesen. Spannend ist auch zu beobachten, welches Geschlecht die Gefühle in der jeweiligen Sprache haben. Der polnische Neid ist zum Beispiel weiblich, die Angst männlich“, so Weiler noch. Es geht auch um Heimweh, das ganz am Anfang des Bilderbuches seinen Auftritt hat.

Dieses Gefühl spielt in dem neuen Bilderbuch Erinnerst du dich? von Sydney Smith ebenfalls eine Rolle. Oder schaffen Mutter und Sohn dank ihrer behutsamen Erinnerungsarbeit gemeinsam den Neuanfang? Der in diesem Jahr mit dem international renommierten Hans-Christian-Andersen-Preis ausgezeichnete kanadische Künstler legt immer preisgekrönte und herausragende Bilderbücher vor, in denen Gefühle eine zentrale Rolle spielen. Wohltuende Farbigkeit und eine Atmosphäre, die den Betrachter ganz nah an die Figuren heranlässt, sind ebenfalls charakteristisch. „Es hat fast drei Jahre gebraucht, dieses Bilderbuch zu schreiben und zu illustrieren. Ich bin dafür in persönliche Erinnerungen eingetaucht und habe noch Dinge entdeckt, die mich emotional sehr mitgenommen haben“, erzählt Smith. Denn der Neu-anfang im neuen Haus erfolgt nach der Trennung der Eltern des Jungen. Ein autobiografisches Element – und so taucht Smith auch in seine eigene Kindheit ein.

In Das Grand Hotel der Gefühle verdeutlicht uns die Berliner Illustratorin Lidia Brankovic, dass diese tatsächlich Raum einnehmend sind – und zwar mal mehr und mal weniger. „Gefühle gibt es in allen Formen und Größen. Manche sind riesig, manche sind klein und sie sind nur auf der Durchreise.“ Die Hoteldirektorin ist für alle da und bekommt sogar Hilfe – vor allem von Dankbarkeit, Selbstvertrauen und Stolz. Aber am schönsten ist es, „wenn Liebe kommt, dann hat sich alles gelohnt. Das Hotel verwandelt sich in einen magischen Ort, erfüllt von Licht und Lachen“, so formuliert es Brankovic. Und ihre Widmung „… für alle Menschen, die kleinen und die großen“ sowie die Tatsache, dass dieses Bilderbuch bereits in mehr als 25 Sprachen übersetzt worden ist, machen klar, wie universell das Thema ist, denn im Grunde muss sich ein jeder ein Leben lang mit den Gefühlen auseinandersetzen.
Diese Bilderbücher geben Raum, Ideen und Impulse, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen und sie im Idealfall dabei zu unterstützen.