Die Sprache des Regens
Maria wird eines Tages abgeholt, bei der Hausdurchsuchung hatte einer der Polizisten seinen Namen in ihrem Notizbuch gefunden: Ramiel. Maria ist Lehrerin in der namenlosen Stadt und war einst mit Ramiel befreundet. Das bekommt man als Leser erst nach und nach mitgeteilt. Parallel erfährt man von Isabel, ihrer Tochter, die jetzt nach neun Jahren zurückgekehrt ist, weil ihr Großvater im Sterben liegt. Meer, Fluss, Gestrüpp, Fabriken, Raffinerie, Stahlwerk bilden das Setting; die Menschen sind gefangen in Geisterglaube und befremdlichen Ritualen. Zum Beispiel springt jeder Junge an seinem 15. Geburtstag von der Brücke in den Fluss und lässt sich von der Strömung mittreiben. Als einziges Mädchen hatte das auch Maria getan, und Ramiel war ihr nachgesprungen. Damals hatten sie von einer guten Zukunft für den Ort geträumt. - Roland Schimmelpfennigs Erzählstil ist poetisch und redundant, er erinnert an die Bibel. In jeweils kurzen Abschnitten wird in einer klaren, schnörkellosen Sprache von den Personen berichtet, deren Zusammenhänge erst nach und nach hergestellt werden. Das bewirkt ein langsames Eintauchen in eine archaische Geschichte, die den Leser zunehmend fesselt. Der Roman des weltweit bedeutenden Dramatikers (Jg. 1967) kann ab mittleren Beständen literarisch anspruchsvollen Leser/innen empfohlen werden.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Sprache des Regens
Roland Schimmelpfennig
Fischer (2017)
314 S.
fest geb.