Die Hinrichtung des Martin P.
Martin Pietsch, Anfang 40, ist einigermaßen frustriert: Er ist seit Längerem arbeitslos, mit seiner erfolgreich im Leben stehenden Freundin läuft es nicht gut und ein wichtiges Bewerbungsgespräch geht gründlich in die Hose. Wie so oft sucht er
Trost im Internet. Ziemlich alkoholisiert liest er von einem unglaublich brutalen Mord an einem 6-jährigen Mädchen. Er verfolgt die Schlagzeilen (bei dem rasch ermittelten Täter handelt es sich um einen 16-jährigen Jungen aus einer Flüchtlingsfamilie) und die diesbezüglichen Kommentare. Und er, ein eigentlich ganz normaler Mann/Mensch/Bürger, weder aggressiv noch ausländerfeindlich, setzt dem im Netz verbalisierten Hass die Krone auf: Alle sollten ruhig weiter reden bzw. schreiben, er bräuchte nur ein Messer, mit dem er den Täter genauso "abschlachten" würde, wie dieser es mit dem kleinen Mädchen getan habe. Dieser Post wird gelesen, vielfach geteilt und "geliked". Was dann folgt, könnte man als einen kafkaesken Albtraum beschreiben: Eine Dame aus dem Justizministerium kontaktiert Pietsch. Sie bietet ihm viel Geld und einen festen Job, wenn er an dem "Mörder" die Todesstrafe vollstrecken würde. Für ihn wären damit alle Probleme gelöst - nur: Wird er diesen jungen Mann wirklich hinrichten können? - Parallel zu Pietschs Erleben, seinen Gedanken und Gewissensqualen wird die Geschichte der älteren Schwester des in Wahrheit völlig traumatisierten, an Psychosen leidenden Täters erzählt, die ins Bodenlose stürzt. - Eine toll geschriebene, intelligente, beklemmende, zeit- und gesellschaftskritische und absolut packende Erzählung, die man uneingeschränkt allen Lesern empfehlen möchte.
Barbara Nüsgen-Schäfer
rezensiert für den Borromäusverein.

Die Hinrichtung des Martin P.
Klaus Oppitz
Verlag Kremayer & Scheriau GmbH & Co. KG (2019)
187 Seiten
fest geb.